Sie schaffen das

„Sie schaffen das!“ Und ich nahm den Fuß von der Bremse

Und ich fuhr das Automatik-Auto sachte vom Werkstatt-Areal hinaus ins gefährliche Leben.

Es war dunkle Dämmerung. Es war Münchner Rush-Hour, auf dem „Mittleren Ring“ genervtes Gewimmel von Leuten, die endlich nach Hause wollten und zwar ins Wochenende: Es war 18 Uhr so rum, ein Freitagabend.

„Sie schaffen das!“ Pfeifen im Walde oder positives Denken?

Das nette Mädchen von der Mercedes-Autovermietung hatte mir vorher noch sehr gut und einfach erklärt, wie man Automatik fährt. „Einfach den linken Fuß abstellen, der tut gar nix, nix!“  Der rechte nur bremst und gibt Gas, oh jeh!

Ich fahre seit Jahrzehnten Autos mit Schaltgetriebe. Einmal in Kanada hatten wir so einen Leihwagen bei „Rent a Wrack“ gemietet, der hatte Automatik-Schaltung. Und das LKW-ähnliche Wohnmobil, mit dem wir über den Highway Number One rauschten, auch. Aber gut: Kanada, Arizona, Kalifornien, Mojawe-Wüste! Viel Platz für Fehler ohne Folgen. Deswegen vermutlich haben die eine ganz andere Fehlerkultur: Sie trauen sich einfach, loszufahren, weil es diesen großen Spielraum gibt. Trial and error.

In Europa dagegen ist es eng. „Bloß nix falsch machen!“

„Doch, Sie schaffen das!“

Es gibt ja unter den modernen Psychologen geradezu einen transatlantischen Dissens deswegen: Die drüben sagen: „Wenn Du in der Therapie Probleme erwähnst, kannst Du eigentlich gleich Psychoanalyse machen und Retraumatisierung.“ Gut, sie sagen das etwas anders, aber sinngemäß sagen sie dort in den USA und Kanada das. Sie sind meistens radikal lösungsorientiert. Menschen haben keine Probleme, sondern Herausforderungen, Lösungen zu entdecken und die inneren Stärken, die es braucht für die Umsetzung. Ha, stimmt ja auch!

Aber ich im alten engen Europa habe schon auch die Erfahrung gemacht, dass meine Klienten sich so ohne weiteres nicht von ihren Problemverhaftungen weglocken lassen wollen. Wir hier im alten engen Europa wollen unsere Probleme gerne verstehen, ehe wir sie über Bord schmeißen. Deswegen sage ich immer: In den Problemen verbergen sich die Lösungen, und das stimmt sowieso.

Ich schaffe das hoffentlich

Mein Problem an jenem Freitag war gewesen, dass ich eine Besprechung hatte, danach noch schnell fürs Wochenende einkaufen wollte, danach dies und das. Dann sprang mein Auto nicht mehr an auf dem abgelegenen Parkplatz des Biomarktes. Der Gelbe Engel kam schnell und sagte: „Nix Batterie! Zündschloss. Abschleppen. Leider.

Der Abschleppwagen kam nach einer Stunde und fuhr wieder weg, weil seine Fernsteuerung kaputt war. Insgesamt wartete ich ungefähr drei bis vier Stunden in der Kälte, bis das Auto schließlich durch den schon sehr dichten Berufsabendverkehr zur Werkstatt verfrachtet wurde. Also: Ich hatte Durst, ich hatte Hunger, ich war, kann ich sagen, schon ein wenig genervt.

Happylogie ist Pfeifen im Wald

Ich halte gar nichts von den Tschakka-Tschakka-Top-Speakern, die den Leuten weismachen wollen, man müsse sich nur ständig auf die Brust klopfen „Yes, I can!“ rufen und sich morgens in den Spiegel hinein sagen: „Du bist schön und genau richtig, wie Du bist!“

Das funktioniert auf Dauer nicht. Wenn Sie es probiert haben, werden Sie das wissen. Das Unterbewusstsein meldet sich mit diesen Klartext-Kontrareden: „Ja, aber die 20 Kilo Übergewicht!!“ Oder es sagt: „Kann schon sein, aber wieso wirst Du dann immer erschöpfter, resignierter?!“

Oder die Frau Merkel mit ihrem „Wir schaffen das!“ … es glaubte ihr den Appell so gut wie niemand mehr, weil der Problemstau im Lande an allen Ecken immer sichtbarer wurde und die Verdrossenheit stieg. Sie hätte zumindest „Ich schaffe das“ sagen müssen. Aber so weit wollte sie sich dann doch nicht raushängen.

Eine Studie an der kanadischen University of Waterloo kam zu dem Ergebnis: Positive Affirmationen können gerade für Menschen mit geringem Selbstwertgefühl nicht nur unwirksam, sondern sogar schädlich sein. Die Menschen fühlen sich schlechter denn je, wenn ihre Hoffnungen enttäuscht werden. Klar.

Hier ist die Studie nachzulesen.

Die New-Age-Verlogenheit

Sie tobt sich ganz besonders auf Instagram aus, wo junge aufgehübschte „Influencerinnen“ ihre Affiliate-Accounts bedienen, indem sie durchschnittlichen Geschöpfen das Blaue vom Himmel runterlügen. Du musst es nur fest genug wollen! … lauter 50-Euro-Scheine an die Wand pinnen und schon kommt der Geldsegen …. lange genug Brad Pitt imaginieren, dann liegt er bald im Bett neben einem … Da geht es nur ums Geld, nicht um Resonanz und Heiligkeit.

Gute Affirmationen erzwingen persönliches Wachstum. Kurz gesagt: Wer Brad Pitt im Bett haben will, muss Angelina Jolie werden.

Ausführlicher argumentiert hier.

Affirmationen bedeutet nicht, sich etwas einzureden und dann glaubt das Unterbewusstsein die Botschaft, wenn man Sie nur oft genug jeden Tag wiederholt.

Es nützt sehr dicken Leuten nichts, jeden Tag 50 Mal vor dem Spiegel zu sagen: „Ich bin schlank und schön!“ Auch nach meiner Erfahrung ist es im Gegenteil so, dass sich aus dem Unterbewusstsein Widerstand regen wird. Das Unterbewusstsein wird vermutlich den Befehl ausführen, der hinter dieser ungesunden Affirmation steht. Und der ist angstgeboren und heißt etwa so: „Bloß, dass ich nicht noch dicker werde und dass mich dann gar niemand mehr liebt.“ Das ist ein negatives Ziel. Unser Gehirn akzeptiert nicht die Negation und wird also diesen Befehl leider sehr direkt ausführen. „Bloß, dass ich noch dicker werde!“

Dann wirkt sich die sich selbsterfüllende Prophezeihung aus.

„Sie schaffen das!“

Ich fuhr also in der Münchner Rushhour vom Werkstattgelände auf die volle Straße. Mein linker Fuß stand da und machte Pause.

Das Auto fuhr wie von allein. „Naja, das ist ja was für Idioten“, murrte mein Großhirn besserwisserisch, wie Großhirne leicht sind. Ich bremste zum Test sehr abrupt. Jetzt machte der linke Fuß so was wie Luftgitarrespielen, aber das Auto stand. Ich glaube, das war die Stelle des erleichterten Ausatmens. Ich schaffte das!

„Sie schaffen das!“ Ich weiß nicht, ob die junge Frau wusste, was sie da gezaubert hatte: Sie hatte mir einen hypnotischen Befehl erteilt und mein Unterbewusstsein befolgte den prompt. Hypnotische Befehle sind keine Affirmationen, sondern Befehle. Und Befehle werden von unseren Gehirnen geliebt: Klartext, kurz, einfach und positiv. Alle Militärs der Welt wissen das: Mit Befehlen kommt man voran.

Mehr über hypnotische Befehle hier mit Klick aufs Bild:

Befehlen Sie sich Zielklarheit!

Man braucht klare Ziele für die Erfolge. Bei mir hatte das Ziel gelautet: Heil zuhause ankommen – und dann wirken solche Befehle unmittelbar.

Kein allgemeines Affirmationsgelabere, sondern klare fokussierende Befehle. Sie setzen sich ein klares Ziel, und dann können Sie auch selbst-hypnotisch sagen: „Ich schaffe das!“ Klare, unzweideutige, positive Ziele!

Am Schönsten ist alles natürlich, wenn uns jemand freundlich in die Augen schaut und dann sagt: „Sie schaffen das!“ oder „Du schaffst das!“ Freunde, Familie, Liebste oder eben auch der Coach im Coaching. Der-die an sie glaubt, weil er-sie Sie wahrnimmt und zum Selbstvertrauen anspornt, dass schließlich sagt: „Ich schaffe das!“

Und hören Sie allererstens auf, andauernd zu denken oder sich zu sagen „Ich Depp, Loser, arme Sau!“ – das wirkt auch. Und zwar in die falsche Richtung.

 

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