Narzissmus ist mehr als ein Schimpfwort

Denn Narzissmus bezeichnet krankhafte Persönlichkeit mit destruktivem Verhalten:

„Du Narzisst!“ schimpft einer den anderen. Worauf der entgegnet: „Selber! Selber! Nicht ich bin der Narzisst, sondern Du bist es!“

Aus Sicht narzisstisch gestörter Persönlichkeiten sind immer die anderen schuld. Sie lehnen Verantwortung ab, agieren aggressiv und manipulativ, wie aus einer Festung der Gefühlsarmut heraus, immer auf der Suche nach Nähe und Liebe, jedoch unerreichbar dafür. Sie sind gefangen in Gefühlskälte, wie eingefroren. Sie schillern und faszinieren auf den ersten Blick wie uns Eiskristalle faszinieren. Wer sich aber in einen Narzissten verliebt, wählt ein schweres Leben.

Den Begriff als Schimpfwort zu nutzen, würde ihn verharmlosen.

Von Familienrechtlern, Scheidungsanwälten weiß ich, dass vor allem Frauen ihre Noch-Ehemänner als Narzissten beschimpfen. Gerade Frauen greifen in Scheidungssituationen zu radikalsten Mitteln, und sie verhalten sich dabei oft selber genau wie Narzissten. Dabei zeigt sich, dass Narzissmus nicht nur Selbstverliebtheit und Egozentrismus meint, der über gesundes Selbstvertrauen weit hinausgeht. Narzissmus  bezeichnet im Ego gefangene Charaktere, die keine Skrupel kennen bei der Durchsetzung ihres Strebens. Das sind keine ulkigen Leute, die nichts tun, außer in den Spiegel zu schauen und sich im Selfie zu bewundern – nein, es sind rücksichtlose Menschen, gefährlich für jene, die ihnen zu nahe kommen.

Der Spiegel der Selbstverliebtheit

Wir wissen aus der griechischen Mythologie, dass „der Narzissmus“ eigentlich eine Strafe war:

Der schöne Narkissos war so arg schön und selbstverliebt, dass ihm zwar alle Frauen nachschwärmten, er aber keine gut genug fand. Als er auch die Liebe der Nymphe Echo verschmähte, bestrafte ihn die Liebesgöttin Aphrodite und zwar damit, dass er lebenslang in jeden Spiegel schauen musste und also nur auf sich selbst und also in sich fortan gefangen war.

Ein bisschen Narzissmus gehört zum Dasein: Wenn sich Menschen niemals „narzisstisch“ selbstverliebt für am besten und größten halten, gebricht es ihnen an gesundem Selbstbewusstsein. Ein wenig Narzissmus ist Zeichen des legitimen Selbsterhaltungsstrebens. Menschen mit starkem Selbstvertrauen werden eher nicht depressiv, das ist sicher. Eine hohe Selbstwirksamkeitserwartung hält gesund und macht erfolgreich. Und das hat mit Narzissmus nichts zu tun.

Der echte Narzissmus kennt die Liebe nicht

Der echte krankhafte Narzisst ist nicht zur Hingabe fähig, ist eine dissoziale Persönlichkeit, liebt nicht, sondern instrumentalisiert andere. Narzissten nützen andere aus zur Erreichung der eigenen Zwecke. Jede Kritik wird als Angriff gewertet und zurückgeschlagen. Es fehlt Liebe.

Ein Narzissmus-Beispiel aus dem Coaching: Die narzisstische Mutter.

Ich habe in einem Coachingmandat das brutale Agieren einer narzisstischen Mutter erlebt, die ihre Tochter fest im Kontrollgriff hatte. Sobald die Tochter eigenen Willen zeigte, wurde die Mutter aktiv. Sie drangsalierte das 20-jährige Mädchen, beschimpfte sie, redete sie krank, schickte sie zu Heilern und zweifelhaften Therapeuten. Als die Tochter schließlich ihren ganzen Willen zusammenraffte und einen Coach suchte, um ihr Leben endlich selbst in die Hand zu nehmen, geriet die Mutter volllkommen außer sich.

Narzissten wirken nach außen hin freundlich, besonders, sie sind berüchtigt dafür, andere Menschen blenden und um den Finger wickeln zu können. Diese Mutter konnte das auch. Sie intrigierte in der Familie gegen die eigene Tochter, so dass diese mehr und mehr an sich und ihrem Verstand zweifelte. Sie machte sich Psychiater und Justizangehörige gewogen – die Tochter drückte es so aus: „Sie schleimt sich überall ein, niemand merkt, wie sie wirklich ist“. Und sie schaffte es sogar, die Tochter in die geschlossene Psychiatrie einweisen und anschließend entmüdigen zu lassen. Sie selbst wurde als Betreuerin eingesetzt und konnte sich nun allmächtig fühlen. Ich habe darüber berichtet.

Was mir besonders auffiel, war das charismatische Sendungsbewusstsein, das die Mutter vor sich hertrug, und die absolute Rigidität in der Wahl ihrer Mittel. Alle Menschen, die ihr je Widerstand entgegensetzten, erklärte sie für verrückt, für psychisch gestört, versuchte, sie in irgendwelche Heime und Kliniken einweisen zu lassen.

Die Liebe der Narzissten

Die Liebe der pathologischen Narzissten gibt es nicht. Narzisstische Persönlichkeiten sind gefühlsgestört nutzen das angeblich geliebte Gegenüber als Ersatzbefriedigung. Sie versuchen dort die Liebe und Bestätigung zu erhalten, die sie in sich selbst nicht finden können. So wird das geliebte Gegenüber zum Objekt, und wenn es das merkt und die Liebe dem Zweifel schwindet, fängt der krankhafte Narzissmus zu greifen an: buchstäblich. Das Objekt der vorgeblichen Liebe wird manipuliert, belogen, festgehalten, denn das Selbstbewusstsein des Narzissten ist ja in Wirklichkeit sehr gering und die Person fürchtet deswegen das Verlassenwerden. Kinder speziell und auch Ehepartner sollen in die Knie gezwungen werden und zwar, so argumentieren Narzissten, zu ihrem eigenen Besten.

Selbstverständlich wurzelt auch der Narzissmus in der Kindheit, der Lieblosigkeit der Eltern. Aber das darf  kein Grund sein, das feindliche Verhalten zu entschuldigen oder vor Mitleid sich selbst aufzugeben.

Vor Narzissten muss man sich schützen. Kann „man“ sie heilen?

Kann man Narzissmus heilen

Sie können niemanden heilen, der es nicht will. Sie können auch mit Narzissten nicht argumentieren oder an ihr besseres Ich appellieren. Narzissten fehlt jegliches Schuldbewusstsein. Würden Sie Ihren Ehemann oder Ihre Ehefrau sinnloserweise etwa zu einer Paartherapie überreden können, würden Sie sich dort sehr schnell in der Rolle eines Angeklagten wiederfinden. Es sei denn, der Therapeut ist so erfahren und gewitzt, dass er/sie merkt, welche Dynamik er vor sich hat. Anderenfalls wird der Narzisst auch den Therapeuten manipulieren, unter Kontrolle bringen, zu seinem oder ihrem Verbündeten machen.

Zu der oben geschilderten narzisstischen Mutter sagten etliche wohlmeinende Menschen: „Lass Dein Kind in Frieden. Du bist die Person, die eine Therapie brauchen könnte!“ Das wies die Frau wütend zurück. Sie agierte gegen die Tochter subjektiv schließlich nicht gezielt böswillig, obwohl ihre Handlungen und Manöver bösartig waren. Sie fühlte sich ja im Recht.

Es sind unterbewusste Prozesse, die da ihre Dynamik entfalten.

Narzissten können meines Erachtens nur zur Einsicht gebracht werden, wenn sie das erleben, wovor sie die größte Angst haben: Alleingelassensein. Solange Sie es dulden, Objekt Ihres Partners, Ihrer Partnerin zu sein, stützen Sie seine psychische Deformiertheit. Vielleicht droht man Ihnen sogar mit Selbstmord, wenn Sie gehen wollen – Sie sollten sich davon nicht zurückhalten lassen. Tun Sie es, befinden Sie sich in einer Ko-Abhängigkeit wie die meisten Partner von Suchtkranken. In der Psychopathologie gilt die Ko-Abhängigkeit als Beziehungsstörung mit suchtähnlichem Charakter.

Mein Rat ist: Kümmern Sie sich um sich!

Narzissmus will niedermachen

10 Punkte, woran Sie einen Narzissten erkennen

Es finden sich in der Fachliteratur und im Internet zahlreiche Tipps und „10 Punkte“.

Ich greife diese prägnanten zehn Merkmale heraus:

  • Der oberflächliche Charme überwältigt Sie. Es schmeichelt sehr: Sie sind besonders! Sie werden mit Komplimenten überhäuft, aber nur zu Beginn. Dann heißt es: „Und ich habe Dir doch so sehr …. nun musst Du auch ….“ Moralischer Druck fängt an.
  • Eloquenz beeindruckt Sie, gute Konversation, schillernde Persönlichkeit: So jemanden Besonderen kannten Sie vorher noch nie! Dann aber, nach der ersten „Wolke 7“-Zeit, beginnt schnell der Kampf.
  • Überhöhtes Selbstbild und Perfektionismus: Da werden dann nicht nur Kinder erniedrigt, angebrüllt, beleidigt, geschlagen, die den Ansprüchen nicht gerecht werden. Abwertung anderer gereicht Narzissten zur Selbstüberhöhung.
  • Notorisches unbeirrtes Lügen ohne Schuldbewusstsein: Sie wissen bald nicht mehr, wo Ihnen der Kopf steht. Sie zweifeln an Ihrem Verstand. Der Narzisst bringt Sie von Ihrem Weg und So-Sein ab.
  • Manipulativ, extremistisch, geht skrupellos bis zum Äußersten. Sie werden das an Ihrer Angst spüren. Es passiert Unvorstellbares in ihrem Leben – erst schön und wundervoll, dann grauenvoll.
  • Unfähig Reue zu empfinden. Dafür beschuldigen Narzissten andere: Sie etwa, sobald Sie den Fehler machen, sich auf so eine Person einzulassen.
  • Unfähig zu tiefen Gefühlen, ist der Narzisst eingefroren wie in einer Eisburg. Ihr Bemühen, dorthin vorzudringen, wird sie komplett erschöpfen.
  • Unfähig und unwillig Verantwortung zu übernehmen – vielmehr wird Veantwortung in Form von Beschuldigungen auf andere abgewälzt.
  • Null Humor, Ausgelassenheit, Übermut. Alles „kindliche“ Gefühl ist eingefroren.

Bitte machen Sie sich klar: Das sind lediglich Anhaltspunkte. Und nicht jeder gute Redner und Charmeur ist ein Narzisst. Narzissten sind gute Schauspieler. Und es fehlen Ihnen Humor und Ausgelassenheit, zwei Eigenschaften, ohne dies es keine Liebe, keine Hingabe gibt. Mir scheint, dies sind die bedeutsamsten Faktoren und Erkennungszeichen: Mangelnder Humor, keine Ausgelassenheit.

 

Narzissmus schillert, dominiert, beherrscht

Narzissten haben eine große Klaviatur, mit der sie spielen, um Nähe vorzutäuschen, wo es um Besitz und Kontrolle geht. Narzissten haben eine ebensogroße Klaviatur, wenn es darum geht, den vermeintlichen Besitz – also die angeblich geliebte Person – festzuhalten. Wenn Sie mit einem Narzissten, Mann oder Frau, zusammen sind, werden Sie sich über kurz oder lang unfrei und gefangen fühlen.

Wie oben beschrieben, können das sogar juristische Mittel sein, um die andere Person zu diskreditieren und ihrer Freiheit und Würde zu berauben, es kann Psychoterror sein oder auch körperliche Gewalt.

Ein Klient berichtete: „Wenn es in der Schulzeit Probleme gab, rauschte Mama dort an und gockelte vor den Lehrern herum. Für mich wurde so alles nur noch schlimmer. Es ging ihr auch gar nicht um mich.“ Genau: Es ging der Mutter um die Bühne.

Depressiv-aggressives Agieren

Kann auch sein, Narzissten verwenden ganz andere Mittel, um alle Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Viele Menschen dominieren eine Beziehung durch permanentes Kranksein. Ich nenne das den depressiv-aggressiven Stil, weil sich dabei die Übergriffigkeit in den Mantel der Hilfsbedürftigkeit und Hinfälligkeit hüllt. Ihr empathisches Mitgefühl wird raffiniert gegen Sie verwendet: Einen Kranken verlässt man als anständiger Mensch nicht so leicht. Ein Kranker wird bemitleidet und kommt so in den Genuß von empathischer Zuwendung, die er selber nicht besitzt. Der Krankheitsnutzen besteht möglicherweise darin, ein befürchtetes Verlassenwerden zu vermeiden, den Ehepartner, der bereits auf dem Absprung war, so immer weiter an sich zu binden.

Auch Leistungserwartungen werden durch Krankheit ausgehebelt. Am Ende werden Sie Schuld haben, dass der arme Kranke krank ist oder einfach seine Talente nicht auf die Straße bringt. Das ist das Spiel der Narzissten um Selbstbehauptung.

Narzissmus ist nicht Liebe

Fassen wir zusammen, sagen wir es ganz kurz und knapp: Wenn irgendetwas in Ihrer Liebesbeziehung weh tut – dann ist es nicht Liebe. Um ein Beispiel zu nennen: Wenn Sie abends nicht gerne essen, weil Sie wissen, dass Sie mit vollem Magen schlecht schlafen und wenn dann Ihr neuer Lover aber ausgerechnet am liebsten abends „nur für Sie“ kocht und Sie vollstopft …. dann ist das nicht Liebe, sondern Kontrolle.

Wenn Sie das Gefühl haben, Sie müssten sich ständig rechtfertigen in einer Beziehung …. dann ist das nicht Liebe, sondern Kontrolle.

Wenn der/die Geliebte Sie öffentlich bloßstellt um selber effektvoll gut dazustehen, so dass Sie sich gedemütigt fühlen, man auf Ihre Kosten lacht – dann nichts wie weg!

Was kann Sie schützen?

Sie werden nicht in die Fallen der Narzissten tappen mit einem starken Selbstbewusstsein, denn das lässt Sie unabhängig sein und bewirkt, dass Sie Ihrer Intuition vertrauen. Hören Sie auf Ihr Bauchgefühl! Beenden Sie Beziehungen, die sich „irgendwie“ ungut anfühlen oder gehen Sie erstmal auf Distanz.

Holen Sie Rat ein, aber fragen Sie in Beziehungssachen besser nicht Ihre Eltern oder Freunde. Die sind in aller Regel irgendwie Partei, raten meistens zum Status Quo, zum Weitermachen und Durchhalten Holen Sie sich also im Zweifelsfall Unterstützung bei unabhängigen Menschen Ihres Vertrauens.

 

Weiterführende Links:

Grundlegendes Wissen.

Narzissten in der Familie, was tun?

Der Psychiater über Narzissmus

So stärken Sie Ihr Selbstwertgefühl

Gehen Sie auf die Zielebene und beenden Sie das Leiden so!