Das Wahrgenommenwerden zum Glück

„Ich werde wahrgenommen, also bin ich“

Wahrgenommenwerden, Sichtbarkeit, Visibility – sagen wir es so: Wer nicht wahrgenommen wird, fällt untendurch, ist Mauerblümchen, wird niemals Superstar, kommt nie groß raus, wird als Selbständiger nicht erfolgreich und als Manager auch nicht. „Ich muss meine Visibility steigern, meint mein Chef“, sagen öfter Coaching-Interessierte beim Vorgespräch. Auch bei den unzähligen Selfies und Video-Postings auf TikTok, Instagram, Youtube geht es um die Sichtbarkeit. Der Grund ist ein sozialpsychologischer: Wir sind soziale Wesen, wir brauchen das Echo der Gruppe, indem wir wahrgenommen werden. Es ist ein absolutes menschliches Grundbedürfnis, dass die anderen uns sehen. Wer nicht gesehen wird, geht unter, kommt um, das steckt uns atavistisch in den Genen.

Wahrgenommenwerden ist die Grundbedingung für Glück

Ich hörte unlängst den schrecklichen Satz: „Alter ist, wenn Dich niemand mehr anschaut.“ Das ist vorweg genommener Tod, wenn einen niemand mehr anschaut.

Ein Klient, Gitarrist einer Heavy-Metal-Band, erzählte von dem Kraftstrom, der die auf der Bühne mit den Zehntausenden davor verbindet. Stars und ihre Wirkung: Stars werden gesehen, sie strahlen, sind erhaben, machen uns glücklich mit ihrer Leistung oder auch einfach ihrer Schönheit. So würden wir es tiefinnerlich alle gerne haben: so wichtig sein, bejubelt werden, so viel können, so viel Kraft zeigen dürfen. Ich glaube, die Stars werden gehypt, weil sie uns zeigen, was wir lieben. Wir lieben gar nicht die Stars. Wir lieben, was sich in und an ihnen von unserer Sehnsucht zeigt: Gesehen werden und willkommen sein! Das ist wundervoll, das ist berauschend, ein reines Glück.

Vergegenwärtigen Sie sich einfach die Gegenseite, die heißt:

„SIE??!! Nie gesehen, kenne ich nicht.“
Oder „Du??!! Was glaubst Du, wer Du bist …“

Das ist Mißachtung, Abwertung. Oder man hat Sie bei der Beförderung einfach fies übergangen …. Ihr Partner, Ihre Partnerin hat sie mit jemand anders betrogen – einfach so, als gäbe es Sie nicht! Erinnern Sie sich an die Gefühle, die Sie hatten, als Sie letzthin in der Stadt von diesem Typen so rüde angerempelt worden sind? Als wären Sie Luft.

Das ist Dunkelheit. Da kriegen wir Angst, Entsetzen, Empörung, Hass, Selbsthass flammen hoch, das ist wie ein innerer Amoklauf. Kennen Sie nicht? Doch, das kennen Sie auch. Das WOLLEN Sie nur nicht kennen, weil es sich so widerlich anfühlt.

Und im Straßenverkehr. Der Idiot da nimmt Ihnen die Vorfahrt: „Ja sieht der mich denn nicht??!!“ Man könnte ihn umbringen. Geben Sie es zu, manchmal schießt so was hoch, oder?

Nichtgesehenwerden ist ein Todesurteil

Das lebt in uns seit grauer Vorzeit. Wer nicht gesehen wird, dem wird auch nicht geholfen. Der wird von den Wölfen gefressen, vom Hochwasser geholt, stürzt vom Fels und keiner sucht nach ihm. Das Rehkitz ohne Mutter, das verhungert, erfriert, wird zur Beute von Raubtieren.

Wir bedürfen des Schutzes der Gemeinschaft, wir bedürfen der Anerkennung ungefähr in dem Maße, wie wir essen und trinken müssen, um zu leben. Kinder ohne Liebe werden neurotisch und können ihr Potential nicht entfalten. Erwachsene fallen in Depression und erleiden das, was man Burnout nennt – die totale Erschöpfung auf der ganzen Linie. Vorstufen sind Übellaunigkeit, Zynismus, Resignation.

Darum schauen manche Alte so verbittert, logisch!

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Wir brauchen soziale Kontakte

Die Corona-Lockdowns der Jahre 2020 und 2021 haben deshalb unerhörte Schäden angerichtet – bei den Kindern vor allem und auch bei den Erwachsenen, die wir unserer sozialen Kontakte und Rituale beraubt wurden. Aus psychologischer Sicht war das eine katastrophale, menschenverachtende Politik. Wie sich herausstellt, waren die Lockdowns und das staatlich erzwungene Maskentragen auch medizinisch unnötig. Die Menschen wurden in Angst versetzt und auf sich selber zurückgeworfen – logisch, dass viele in depressive Verstimmung rutschten.

Misstrauen griff um sich, das Lächeln starb aus.

Wahrgenommenwerden – „Ja, es gibt mich!“

Das ist eine ermutigend helle Botschaft. Sie ermutigt uns zur Leistung. Sie fördert Selbstwertgefühl.

Wir Menschen sind soziale Wesen. Unsere Vorfahren haben in Horden gelebt. Jedes Dorf, jede Stadt ist eine Weiterentwicklung davon, eine Horde. Ein Zusammenschluss zum Schutz eines jeden und dem Nutzen der Gemeinschaft. Es geht um Synergie durch Arbeitsteilung, durch gemeinsame Ziele, Strukturentwicklung und Finanzierung, damit ein jeder sich optimal entfalte – zum Nutzen des Ganzen und der Einzelnen. Diese positive Wechselwirkung steckt als Grundabsicht hinter allem.

Wir können uns optimal entfalten, wenn wir dieses helle Gefühl „Ja, es gibt mich!“ in uns tragen. Wir erwerben es durch liebevolle Eltern, durch den Willkommensgruß liebevoller Großeltern, Tanten, Onkel, Nachbarn, gleichaltriger Freunde auf der Straße, im Kindergarten, der Schule, dem Sportverein.

Oder auch nicht, wenn es schlecht läuft.

Auch Kritik bedeutet Wahrgenommenwerden

Das Wahrgenommenwerden hat nichts mit süß-duseligem Freundlichgetue zu tun.

Dies ist hat sich in der Kindererziehung eingebügert, Kinder für ihr bloßes Dasein zu loben. Das ist aber unehrlich und dient der Bequemlichkeit der Eltern. Psychologen wissen, dass nur richtiges, wahrhaftiges Lob Kinder fördert und zu starken Individuen mit hoher Selbstwirksamkeitserwartung macht.

Gerade die (konstruktive) Kritik heißt in hohem Maße: Ich sehe Dich. „Ich sehe Dich“ bildet Vertrauen. Kritik und Lob schaffen Transparenz. Klarheit schafft Sicherheit. Die vielgeschmähte „Generation Schneeflocke“ aus Leistungsverweigerern und Lebensüberdrüssigen, ideologisch Verführbaren, also ich-schwachen Menschen wurde aus Bequemlichkeit falsch gelobt und wohlstandsverwahrlost. Nur das richtige Gelobtwerden und auch Kritisiertwerden machen stark:

„Schau mir in die Augen, Kleines!“

Schau mir in die Augen, Kleines!“ – Diesen Satz sagt Humphrey Bogart als Rick jedes Mal, wenn er Ingrid Bergman in „Casablanca“ zuprostet. Während der Corona-Zeit haben Menschen aufgehört, sich in die Augen zu schauen. Versteckt hinter ihren Masken huschten sie mit gesenktem Blick durch die Läden, als könnten sich schon durchs Anschauen Viren übertragen. So kam mir das vor. Die staatlich verängstigten Menschen haben sich ums Wahrgenommenwerden beraubt.

Sie haben es vielleicht letzthin selber es gemerkt … da kam Ihnen der neue Nachbar entgegen. Der muffelte nicht irgendein Hallo vor sich hin. Der schaute Sie an und sagte laut ein „Guten Morgen, ich bin der Sowieso“. Der schaute Sie dabei voll an. Wissen Sieʻs wieder? Genau. Und erst sind Sie ein bißchen erschrocken („was will der von mir?!“), aber dann hat es Sie gefreut. Das hat Ihre Stimmung um mindestens 4 Grad gehoben. Richtig? Eben.

So könnte das wieder werden, jeden Tag. Wir müssten für diesen Vorgang pro Person lediglich ungefähr, na, sagen wir: eine halbe Minute Aufmerksamkeit investieren. Wir merken, da kommt jemand, heben den Kopf, schauen genau hin, schauen in die Augen, lächeln und sagen: „Grüß Gott“ oder „Guten Tag!“ Banal eigentlich, nicht?

Das Grüßen ist mehr als „nur“ höflich

Als ich ein Kind war, war es ein Gebot, zu wirklich jedem Erwachsenen „Grüß Gott“ zu sagen. Und zwar mussten die Jüngeren das auch noch zuerst sagen. Eine Frage der Rangordnung. Ich fand das sehr anstrengend, aber es hatte zur Folge, dass die Straße mich kannte. Alle kannten einander. Das gibt Sicherheit. Da verschwindet ein Kind nicht einfach so mirnixdirnix.

Die Männer grüßten die Frauen zuerst. Die Jüngeren die Älteren. Und wenn ein Erwachsener zuerst was sagte, fand ich als Kind diese Person enorm entspannend und liebenswürdig. Ich fühlte mich dann in hohem Maße willkommen, wahrgenommen. Individuelle Gestaltung war erlaubt und ist erlaubt. Konventionen ändern sich. Konventionslosigkeit ist aber Dschungel. „Hi“ oder finster vorbeigucken oder so ein blödes „Hallo“ belanglos dahinsetzen, das ist uns zu wenig.

Wenn Sie heute durch kleinere bayerische oder schwäbische Dörfer gehen, werden Sie erleben, dass sich die Kinder dort immer noch so verhalten. Die sagen „Grüß Gott“. Mal sagen sie das schüchtern, mal kühn und vergnügt, je nach Typ. Aber jedenfalls verbreiten sie gute Laune damit. Und der Fremde ist ein Stück weniger fremd, und für den Fall, dass er ein Einbrecher ist, ist er gewarnt. Man hat ihn gesehen.

Sehen und Gesehenwerden

Hier in München gibt es Leute, die grüßen den Fahrer, wenn sie in einen Bus steigen. Das ist dermaßen unüblich geworden, dass viele Fahrer nicht reagieren (vor Schreck, vor Resignation, vor Stumpfsinn?). Die anderen wirken wie elektrisiert: ein Ruck geht durch sie, Lächeln schleicht ins Gesicht … schon wieder verbreitet sich Freundlichkeit und die Laune steigt um circa drei Grad. Kürzlich kamen drei Türkenjungs in die Münchner Tram Nummer 17 gestürmt so auf den allerletzten Drücker. „Danke, Busfahrer!“ haben Sie gerufen und gekichert dabei, der Tambahnfahrer hat auch gelacht und sich gefreut. Versprecher? Oder ein Späßlein, egal: Er hat sie nicht einfach in der Kälte stehen lassen, sie haben Danke gesagt. Gesehenwerden hebt das Selbstwertgefühl. Er hat sie gesehen. Sie haben ihn in seiner Tramfahrer-Autorität wahrgenommen und gewürdigt.

Fangen Sie einfach damit an!

Das sehen Sie nicht ein? Das trauen Sie sich nicht? Wieso sollten ausgerechnet Sie damit anfangen?

Naja, es wäre nicht schlecht, die Busfahrer ihrerseits begrüßten jeden Fahrgast. Das Schwarzfahren würde exorbitant zurückgehen, die geduckte Stimmung würde verschwinden. Aber genauso gut können Sie selber mal anfangen. Es ist halt so, einer muss anfangen. Die anderen machen es dann schon nach. Was angenehm ist, breitet sich aus. Denn das ist es doch, was wir alle wollen: Wärme, Angenehmheit, Glück. Glück ist ein Gefühl, kein Zustand. Man kann es wegdenken oder zulassen.

Fangen Sie am besten bei sich selber an!

Warten Sie nicht auf den Staat!

Sie wissen es sicher selber: In China gibt es diese Sozialpunkte für Wohl- und Richtigverhalten. Big Brother is watching everybody, an jeder Straßenkreuzung tut er das.

Und, natürlich, ist die Frage, ob man es einfach mal macht, den Versuch der Lebensverschönerung wagt, oder ob man den Gesetzgeber dafür braucht mit Vorschriften. Naja, es ist eigentlich keine Frage.

Es ist die Frage, ob Sie sich selber sehen mit Ihren Wünschen oder ob Sie sich verleugnen, ignorieren. Empfinden Sie Glück oder was? Leiden Sie stumm vor sich hin wie in einem Hamsterrad oder denken Sie, das sei normal und müsse so sein? Ich sehe mich! – halten Sie das für unanständigen Egoismus? Das wäre schlimm, denn das Ich sehe mich! ist der Anfang der Menschenwürde, der Dreh-und Angelpunkt Ihres Lebens, der archimedische Punkt. Es ist der Punkt, von dem aus erst Sie das große Ganze sehen können. Es ist der feste Punkt, den man braucht, wie uns Archimedes klargemacht hat, um den Hebel ansetzen zu können, den wir wiederum brauchen für den Einsatz unserer Kraft zur Entfaltung von Wirkung.

Ich sehe mich selber ist der Anfang der Verantwortung. Und der Anfang von Wahrnehmen mit der Folge des Wahrgenommenwerdens.

Dieser Text entspricht weitgehed dem 1. Kapitel meines Coaching-Buchs „Vielfalt & Respekt“. Darin stelle ich die 4 Gebote und Grundbedingungen für freudiges, kreatives Leben und Arbeiten vor.

Grundgesetz für gelingendes Leben

Diese 4 Gebote sind Coaching-Grundgesetz und sollten Lebens-Grundgesetz werden, denn werden sie befolgt, wird das Leben schwingend und fröhlich Sie heißen so:

1. Ich sehe Dich.
2. Du bist einzigartig.
3. Du gehörst zu uns.
4. Wir vertrauen auf Dich, erwarten Dein Bestes!

Wenn Sie das alleine oder mit einem Partner nachsprechen, werden Sie die Wirkung spüren. Und Sie merken: Das sind enorm starke Botschaften.

Und die Botschaften haben enorm starke Bedeutungen.

1. Ich bin, es gibt mich!

Wer das empfindet, dessen Herz wird weit. Dessen Augen strahlen. Manche Menschen weinen, weil sie sich so sehr berührt fühlen. Andere lachen einfach, weil es ein großes Gefühl ist.

Wie Sie selber spüren werden, haben die drei anderen Sätze folgende Bedeutungen:

2. Ich bin wertvoll!

3. Ich bin sicher!

4. Ich bin wichtig.

Das sind die Botschaften, die Menschen in ihre Stärke bringen, und dies ist die Voraussetzung für menschliche Kreativität und für individuelle Höchstleistungen. Mit dem Wahrgenommenwerden fängt alles an.