Das innere Kind annehmen, aber wie?
Kapitel in diesem Beitrag:
- 1 Neues Modethema: Das innere Kind annehmen, es umarmen …
- 2 „Es gibt keine inneren Kinder!“
- 3 Das innere Kind ist emotional eingefroren
- 4 Das innere Kind annehmen
- 5 Selbstakzeptanz ist die Lösung
- 6 Eine wahre Coaching-Geschichte
- 7 „Ich. Bin. Ich.“ Selbstakzeptanz im Alltag
- 8 Konkrete Entscheidungssache
- 9 Beispiel vom Coach
- 10 Schauen Sie mal den Hut oben auf dem Foto an ….
- 11 Sie dürfen kommentieren!
Neues Modethema: Das innere Kind annehmen, es umarmen …
Der folgende Artikel kann Ihnen helfen zu einem gelassenen, freundlichen Umgang mit sich selbst zu kommen. Veröffentlicht habe ich ihn erstmals 2014 – seither werden Instagram und TikTok gehyped, dass einem schlecht werden kann über den ganzen Unsinn, der dort verbreitet wird von selbsternannten Gurus, geistigen Führern und Spiritualisten. Auch sehr viel Kitsch und Unzuträgliches, ja Schädliches über das „innere Kind“ und wie man es in die Arme nimmt, wie man es befreit undsofort …Deswegen lesen Sie hier meine Aktualisierung eines wichtigen Themas.
„Es gibt keine inneren Kinder!“
„Es gibt kein inneres Kind!“ So sagte es ein Psychiater. Und das ist falsch, denn er hat nicht begriffen, dass es sich bei dem Begriff „inneres Kind“ um ein Konstrukt handelt. Und mit diesem Konstrukt können wir uns besser vorstellen, dass „jüngere Persönlichkeiten“ in uns fortleben, und zwar tun sie das in unserem Limbischen System. Das ist unser Emotional-Hirn, das unsere Gefühle verarbeitet und auch emotionale Erinnerungen speichert. Ja, man kann es auch Unterbewusstsein nennen.
Von dort aus funken diese dann ins aktuelle Leben hinein, so dass wir zuweilen denken, den Verstand verloren zu haben. Und wir suchen nach Begriffen für etwaige Krankheiten, und wir finden diese Begriffe in der Psycho-Pathologie, und wenn wir nicht aufpassen, steigern wir uns schnell dort hinein und verbeißen uns und finden nicht mehr zurück.
Das Konstrukt vom inneren Kind hilft, so einen Prozess zu verhindern. Man muss aber sorgfältig mit Seelendingen umgehen und man muss es können.
Das innere Kind ist emotional eingefroren
Sollten Sie im Leben immer wieder an dieselben Bruchstellen kommen, sollten Sie Suchtprobleme haben oder Phobien, immer wieder dieselben unglücklichen Liebesbeziehungen erleben oder immer destruktiveren Selbstzweifel, dann sollten Sie sich Unterstützung holen, um diese Re-Inszenierung von Konflikten aus frühen Lebenszeiten zu beenden. Dabei hilft uns das Konstrukt vom inneren Kind, das ja eine Verbildlichung ist.
Alleine oder mit Anleitungen aus Büchern werden Sie ans „innere Kind“ nicht herankommen. Und das müssen Sie, damit alte Muster aufgelöst werden können. Es hat sich zum Schutz ja verschlossen und versteckt. Sigmund Freud sagte „Verdrängung“ dazu. Verdrängen tun wir alles Schreckliche, damit wir weiterleben können. Wir schieben es in die hinteren Bereiche des Bewusstseins, ins Unterbewusstsein.
Ich bin nicht der Meinung, dass jahrelange Psychotherapie nötig ist, um das Kind hervorzulocken. Aber professionelle Unterstützung ist notwendig.
Die folgenden Ausführungen sind also nur Empfehlungen. Empfehlungen für einen besseren Umgang mit sich selbst. Lösen wird man Kindheitstraumata damit nicht können. Man kann das nicht alleine tun, schon gar nicht als Nicht-Fachmann.
Das innere Kind annehmen
Da gab es mal ein sehr einflussreiches Buch über die Annahme des inneren Kindes, ich meine, das war in den 1990er Jahren. Immer wieder werde ich nach diesem Begriff gefragt. „Das innere Kind annehmen.“ Immer wieder heißt die Frage: „Ja, aber W I E ?“
Wie nimmt man also das innere Kind an? Wie soll man es denn „umarmen“, wie es in dem Buch empfohlen wurde? Man will ja, aber wie?
Muss ich dazu viel meditieren, oder muss ich ab sofort immerzu Erdbeeren mit Sahne essen, weil ich das als kleines Kind nie durfte und ebenso viel Schokolade? Oder muss man da andauernd auf Selbsterfahrungskurse gehen und weinen über das Unglück in der Kindheit? Bloß das nicht!
Also was dann?
Selbstakzeptanz ist die Lösung
Mir persönlich gefällt auch sehr gut das Wort von der Selbst-Loyalität. Es läuft eigentlich alles darauf hinaus, sich selber für bare Münze zu nehmen: sich anzunehmen. Und schon das ist hohe Kunst. In die tieferen Schichten Ihrer Seele können Sie alleine nicht vordringen und auch nicht mit TikTok-Geschwafel. Ich illustriere das Ganze mit einer wahren Geschichte aus dem Coaching:
Eine wahre Coaching-Geschichte
Eine Klientin fährt gerne Auto und gerne schnell. Eines Tages rief sie an: „Ich bin geblitzt worden, um Gotteswillen, ich Trottel hab nicht aufgepasst.“ Und sie erzählte, sie habe gerade auf der Autobahn mit Spaß alle anderen rechts überholt, als es blitzte. Sie hatte weder die Tempo-130-Schilder gesehen, noch den Blitzerkasten, weil sie ja damit beschäftigt war, sehr konzentriert den Verkehr zu beobachten. Damit nichts passiere bei ihrem verbotenen Manöver. Sie fürchtete nun, den Führerschein abgeben zu müssen, sie machte sich grausige Vorwürfe.
Die Frau, eine Unternehmerin und ziemlich erfolgreich im Beruf, war völlig aufgelöst. „Wie kann ich so blöd sein, so leichtsinnig!! Und vor allem dermaßen unaufmerksam!!“ Das sagte sie immer wieder und sie wirkte richtig verzweifelt.
Wenn wir in so einen emotionalen Ausnahmezustand geraten, dann werden in der Regel alte Erlebnisse angetriggert und mit ihnen die alten Gefühle. Wir regredieren, also entwickeln uns dabei blitzschnell zurück in die kindliche Emotionalität. Und dann zweifeln wir an unserem Verstand.
Die Regression verhindert auch, dass wir Lösungen entdecken.
Um diese Verwobenheit aufzulösen, definierten wir ihr beherrschendes Gefühl, erkannten den Sitz des Gefühls im Körper: Schuldgefühl hatte sie! Der Magen krampfte sich zusammen bis zum Herzen! Nun ist es möglich – gut angeleitet – sich zu gestatten, mit diesem Gefühl in der Erinnerung zurück zu gehen im Leben und zu Situationen, in denen dieses Gefühl schon früher erlebt worden war. So treffen wir aufs „innere Kind“.
„Ich weiß es, jetzt weiß ich, wie das war!“ So rief die Klientin plötzlich. „Ich wurde immerzu bestraft, wenn ich irgendwas machte, das mir Spaß machte. Immerzu wurde ich entdeckt, angebrüllt, eingesperrt. Immer wenn mir was Spaß machte, haben sie es mir vermasselt!!“
Nun wurde absolut verständlich, in welches abgrundtiefes Entsetzen der Autobahn-Blitzer sie katapultieren konnte: Er hatte sie aus dem Spaß gerissen und nun drohte wieder Strafe – wie früher in der Kindheit bei den strengen Eltern. Und wie damals fühlte sie sich der Macht komplett ausgeliefert.
Wir hatten die Not des Kindes, das sie einmal gewesen ist, gefunden. Das ist, als würde man in einen Dialog mit dem „inneren Kind“ treten. Es wird in seiner Not endlich gesehen. Es wird nicht mehr angebrüllt, sondern wir erkennen aus der Distanz heraus die Wahrheit: Das Kind hatte damals gespielt, hatte sich im Spiel verloren und auch diverse Verbote und Gebote verletzt. Die alten Gefühle von Scham und Schuld können sich auflösen, sobald wir von heute aus mit Liebe und Verständnis und mit Selbst-Vergebung auf das Kind schauen, das wir waren.
„Kein Wunder, dass ich so arg erschrecken musste!“ so rief die Klientin befreit. Das Schuld- und Ausgeliefertheits-Gefühl – sie waren weg. Wir konnten die Lage wieder mit kühlem Kopf betrachten und nach Wegen aus dem Problem suchen.
Als der polizeiliche Anhörungsbogen eintraf, wusste meine Klientin schon genau, was sie tun könnte und tun würde selbst im schlimmsten Fall. Sie ist nun wieder in ihrer Erwachsenen-Energie. Glücklicherweise auch war sie weit weniger schnell gefahren als befürchtet! Sie kam mit einer Geldstrafe und einem Punkt in Flensburg davon.
„Ich. Bin. Ich.“ Selbstakzeptanz im Alltag
Sagen Sie öfter freundlich „ICH“! Nein, das meint nicht egoistisch, narzisstisch, dann womöglich „sozial unverträglich“ oder unerträglich „exzentrisch“ zu werden und zu sein, so dass die anderen denken, Sie hätten einen Vogel oder seien zu anspruchsvoll, überheblich.
„Ich.Bin.Ich“ heißt: Ich schaue mich an mit Freundlichkeit und Neugier. Wenn es mal hakt im Leben oder so ein großer Haufen auf dem Ponyhof-Hof rumliegt und ich genau da reingetreten bin, dass es echt zum Heulen ist – dann nicht mit sich selber schimpfen, sondern Wunde angucken, Pflaster holen, heilen lassen. Oder zum Doktor gehen, Spindoktor, zum Coach.
Schon zu sagen „ach, bin ich ein Depp, bin ich aber blöd“ wäre eine Selbstbeschimpfung. Und damit sollten Sie sofort aufhören. Sagen Sie einfach nie wieder „ich Trottel!“ Stoppen Sie das. So fängt Selbstakzeptanz an und auch das Abholen des „inneren Kindes“. denn bei jeder Selbstbeschimpfung erschrickt das fürchterlich!
Konkrete Entscheidungssache
Konkret: Ärger bei der Arbeit, Trauer in der Ehe, Angst unterzugehen im Leben, Gefühl, der Ponyhof sei ein einziger Misthaufen, tödliche Achterbahn mit fast ausschließlich Abfahrten ohne Aufschwünge … undsoweiter: Das alles kommt vor. Schlimm werden die Dinge vor allem durch die Selbstvorwürfe, die Sie sich eventuell (ehrlich: ich bin ganz sicher) zu allem Unglück hinzu auch noch machen.
Das innere Kind bei der Hand nehmen heißt: Auf Selbstvorwürfe planvoll verzichten. Riegel vor! Mit Geduld auf sich schauen, freundlich nach Wegen suchen, Missbefindlichkeiten zu ändern. Selbstakzeptanz trainieren. Sie sind für sich die wichtigste Person im Leben! Gehen Sie höflich, sorgfältig und respektvoll mit dieser Person um!
Beispiel vom Coach
Probieren Sie mal, was ich gemacht habe: Nehmen Sie ein Kinderfoto von sich zur Hand. Nehmen Sie das, das Sie immer am wenigsten leiden mochten oder das, das Sie über alles liebten. Gut. Nun halten Sie es neben ein aktuelles Foto von sich selber. Sehen Sie die Ähnlichkeit? Freuen Sie sich!
Schauen Sie mal den Hut oben auf dem Foto an ….
…. dieser Hut! Und er hatte einen dünnen Gummi, damit er nicht wegfliegen konnte! Und der schnitt eklig in die Haut unterm Kinn ein, und man durfte nix sagen, denn das war doch so ein süßer Hut! „Süüüß!“ Wie war dem Kind, das ich war, unbehaglich mit dem Hut …. Heute würde ich den Gummi abreißen und sowieso einen schöneren Hut selber kaufen.
Und ich habe Klienten, die sagen: Ja, Heute! Heute würde ich einfach wegmarschieren, andere Leute suchen, die besser zu mir passen, als die weinerliche Mutter, der brüllende und der prügelnde Vater oder die brüllende keifende Mutter und der abwesende hilflose Vater. Denn – das ist der Unterschied – heute sind wir erwachsen und können etwas tun für uns … Oder? Die meisten Menschen schlüpfen im Zweifelsfalle in die Rolle der Eltern und gehen so hart mit sich um, wie die damals das in eigener Problemverwobenheit taten.
DAS ist dann Selbst-Akzeptanz und Selbst-Loyalität: Wenn Sie heute das tun für sich, was Sie als Kind nicht tun konnten, weil sie klein und machtlos waren. Wenn Sie das heute tun für sich, nehmen Sie das innere Kind an der Hand. Liebevoll.
Ein weiterer Weg ist noch hier beschrieben: fake it, till you make it. Suchen Sie sich Vorbilder und imitieren Sie die. Welche Menschen hätten Sie lieber als Eltern gehabt? Welche Eigenschaften besitzen die, die den Eltern vielleicht fehlten?
Sie nehmen das innere Kind an der Erwachsenenhand, wenn Sie diese Eigenschaften in sich entdecken und zum Wachstum bringen. Um nur eine Möglichkeit zu nennen.
Tiefsitzende Ladefehler sollten Sie nicht alleine beheben wollen. Und ich bin sicher, SIE fallen nicht auf die Pseudo-Coaches rein, die das Internet auch bietet, in großer Zahl leider.
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