begabt und verzagt

Wagemut heißt: Wage den Mut!

Je begabter Menschen sind, desto mutloser sind sie: Begabt und verzagt.

Das kommt daher, dass wir zivilisierten Menschen uns meist in der Denkfalle befinden. Das heißt: Wir würden gerne etwas tun, dann aber kommt das ABER. Wir würden sogar gerne irgendwas ganz ganz Großes tun, unser Großhirn stellt uns aber sofort in seinem heiligen Bemühen um Optimierung die ganzen Probleme in den Weg, die ein großes Projekt mit sich bringen könnte. Und schon resignieren wir und verlieren das Projekt aus den Augen. Wir diskutieren lieber tagelang darüber, warum es eben leider, leider nicht geht. Und dann tun wir nix.

Deshalb gilt: Je intelligenter, desto blockierter.

Begabt und verzagt

Ich spreche jetzt nicht von den jüngsten Mitlebenden, der berüchtigten Generation Z, die von den wohlmeinenden Eltern dermaßen umsorgt und verpampert wurden, dass sie – hört man aus der Wirtschaft, den Unternehmen – beim kleinsten Hindernis beleidigt den Kopf einziehen und weglaufen. Die Resilienzpsychologie lehrt uns ja längst, woher das kommt: Erfolgreich und wagemutig sind Menschen, die in der Kindheit Härten zu überwinden hatten. „Was mich nicht umbringt, macht mich stark“, dieser alte Satz stimmt schlichtweg. Also sollten Sie, sofern Sie gerade Eltern geworden sind, Ihren Kindern Hürden nicht aus dem Weg räumen, sondern eher noch welche aufbauen und dann behutsam bei deren Überwindung assistieren.

So werden Sie in Ihren Kindern die Selbstwirksamkeitserwartung stärken und sie in ihrem angeborenen Spaß am Schaffen ermutigen.

Sind wir Enten auf dem Teich?

„Wir bleiben Schiffe auf dem Meer“, hat der zu früh verstorbene Künstler Christoph Schlingensief vor vielen Jahren dem Haus der Kunst in München an die Wand geschrieben. „Wir bleiben Schiffe auf dem Meer. Überhaupt nicht Enten auf einem Teich. Sail on.“

Ente auf Teich oder Schiff auf dem großen weiten freien Meer? Jeweils individuelle Grundentscheidung. Große Kunst kommt immer von den großen Schiffen. Auch Lebenskunst. Auch Ziele. Auch Vision. Wie wird man ein Groß-Schiff und entkommt der Denkfalle und der Formel „begabt und verzagt“?

Normal is boring!

„Are you angry or are you boring? – Sind Sie zornig oder sind Sie langweilig?“

Welch ein Satz von Gilbert+George! Ein sehr zielführender Satz eines sehr ungewöhnlichen Künstlerpaares!

Wie beantworten SIE ihn? Zorn ist etwas aus der Mode gekommen. Aber ein sehr elementares Gefühl. Man kann gar nicht genug daran erinnern in einer zeitlichen Gegend, in der sich fast sämtliche Adjektive auf ein einziges zu beschränken scheinen: C-O-O-L! Ausgerechnet C-O-O-L. Die Mode, der Trend, die Mitglieder des Mehrheitsvereines „Mainstream“ finden einfach alles NUR noch C-O-O-L. Als ich meinem Sohn noch Dinge verbieten konnte seinerzeit hatten wir es wenigstens noch mit G-E-I-L zu tun, was anfangs als ziemlich ordinär galt. Jedoch: es ist ein schönes Wort aus der deutschen Gärtnersprache. Es heißt nämlich eigentlich „prall, strotzend, kurz vor dem Platzen“. Kraftvolles Wort also. Aber C-O-O-L? Wo ist da das Feuer? Da friert’s einen ja.

Die Kunst, sich zu trauen.

„Begabt und verzagt“ – der Weg aus der Denkfalle führt übers Gefühl. Wer sich traut, der traut sich auch an Groß-Projekte ran. „Selbstliebe“ heißt das, wenn man es heilig sagen will.

Ich sage: Die Kunst ist, sich zu trauen! Sie Ist eigentlich leicht, diese Kunst. Aber ohne Feuer, ohne heiligen Zorn, ohne Wissen darum, dass grad aus Katastrophen doch die Katharsis erfolgt und nicht aus dem Gleich- und Mittelmaß? Im grauen Mehrheitssack, in der coolen Indolenz, der Anpassung an das große Ganze – erstickt man auf Dauer. Pech.

Dann bleibt man unter den Enten auf einem Teich und hat keine Ahnung weder, dass es Ozeane gibt, noch Schiffe, die darauf großartig herumschwimmen.