Life-Coaching, Business-Coaching, Agile Coaching …
Eine Begriffs-Inflation hat sich ereignet – in Deutschland ist inzwischen jeder Mensch ein Coach für irgendwas und jeder coacht jeden. Die Webmasterin, die mir irgendetwas erklären soll, erklärt, das sei Coaching. Die Führungskraft bei BMW, Daimler, Telekom und den anderen großen Konzernen die der nächstunteren Person Weisung erteilt, tut das seit dem letzten Firmenworkshop im Bewusstsein, in Wirklichkeit Coach zu sein. Nächstens wird sich mein Zahnarzt Coach für Gesundheitserhalt nennen und das Bohren nennt er dann Speedcoaching …
Führungskräfte! Jetzt mal ehrlich …
Führungskräfte sind Führungskräfte, meine ich und nicht Coach. Denn die haben vielleicht, wenn es hoch kommt, BWL studiert, aber wissen nichts von Menschen. Menschenwissen lernt man einmal durch Lebenserfahrung. Von der spricht man so ab circa 60 gelebten Jahren, vorher nicht.
Menschenwisssen lernt man ferner durch ein Studium und das einschlägige hier heißt Wissenschaft von der Psyche, der Seele, also Psychologie. Das verschafft Spezialwissen und Überblick, so dass man die Zusammenhänge versteht und auch eine gewisse intellektuelle Skepsis kommt mit der Höhe des Wissensturmes irgendwie von allein, weil man angesichts des gesammelten Menschheitswissens merkt, wie wenig man eigentlich immer noch weiß und wie unoriginell die meisten der eigenen Originalitätsblitze in Wirklichkeit sind. Archimedes, Platon, Sokrates haben das alles auch schon gedacht.
Seriosität hält bescheiden
Also kurz: Man wird nicht Coach in einer 6-wöchigen Speed-Ausbildung ohne überheblicher Menschheitsbeglücker zu werden. Arndt Brummer von der Zeitschrift Chrismon schrieb letzthin mal eine echte Wahrheit: „Wer den Himmel auf Erden erschaffen will, schafft meistens die Hölle.“ So ähnlich hat er gesagt.
Das Menschheitsglückerzwingen schafft in der Regel überbordende Bürokratie und folglich ein Zwangssystem, in dem der Einzelmensch das Gefühl hat, zu ersticken, wenn es noch lang so weitergeht. Kennen Sie sicher, dieses Gefühl.
So, was tun jetzt? „Heilig, heilig!“ singen oder immerzu „Ooohm“ rufen? Immerzu das Volle im Glas sehen, auch wenn es einem noch so leer vorkommt? Immer nur das sogenannte „Positive“ erkennen, lobhudeln, dass die Schwarte kracht? Ah, ja, das muss ich doch gutfinden, die ich seit fast 15 Jahren Coach bin, oder?
Es ist nicht alles positiv, aber Probleme bieten Chancen
Also ja, ich bin eine große Freundin des Schimpfens und Zürnens. Denn die Leitvision, also der strahlende Leuchtturm aus Wollen und Streben, die machtvollen Glitzerziele, die fallen uns nicht von alleine in den Schoß, die erkennen wir dann (fast will es schreiben: IMMER dann) wenn wir uns vorher aufgeregt haben über etwas. Wenn wir ehrlich sind. Wenn wir uns eingestehen, dass dies und jenes uns schmerzt, missfällt, dass wir platzen könnten vor Zorn und-oder Empörung.
Wenn wir es riskieren aufzufallen mit unserer Meinung, Abweichler zu sein vom Mainstream. Wenn wir knurren und aufmucken im seichten Immergleich-Gesäusel der nichtendenwollenden „Meetings“ und Konzern-Konventionen angepassten Gutverhaltens. Alle Veränderungsenergie dieser Welt kommt aus dem Mißbehagen, aus dem wir Visionen ableiten. Aber nur dann, wenn wir unser Mißbehagen nicht wegzensieren, weil alle anderen alles angeblich nur positiv sehen. Der Schwarm ist dumm, das stimmt und die Schwarmintelligenz hebt sich einzig und allein durch die individualistischen Aufmucker. Das schreibt sich kess und leichter, als es sich anwendet.
Mehr über den Umgang mit Problemen im Coaching-Blog.
Mut schafft Kraft
„Ich seh immer alles so negativ!“ klagte vor 2 Tagen eine Klientin. Da kann man nur sagen: „Ja, zum Kuckuck, wenn es aber negativ ist, was das Leben präsentiert, soll man da verlogen rumjubeln?“ Soll man nicht, auch wenn viele glauben, das sei „Coaching als Lebenseinstellung“. Coaching ist nicht, die Dinge hinzudrehen, bis sie gut aussehen. Coaching verhilft, wenn gut und qualifiziert, den je eigenen Weg zu erkennen und zu gehen.
Wobei das Wort „verhilft“ auch schon wieder so sozialstaatlich klingt und also falsch ist. Coaching bestärkt Menschen darin, ihren eigenen Empfindungen, ihrer Intuition zu trauen und den eigenen Weg zu gehen, nämlich weil das Mut erfordert. Diesen Mut haben nur wenige und genau die braucht der dumme Schwarm, um sich immer neu zu regenerieren.
Also wenn Sie an sich zweifeln, weil Sie nicht alles so positiv sehen können wie der Trainer letzthin sagte, dass es sein müsse, sondern weil es ihnen stinkt, dann riskieren Sie einfach mal den Gedanken, dass Sie vermutlich zu den Schwarm-Führern gehören. Nehmen Sie den Ball an. Dann suchen Sie nach Gleichgestimmten.
Coaching hilft nicht gegen Dummheit
Dr. Berle Coaching hilft nicht gegen Dummheit, aber es stärkt die Schwarmführer. Die Coaching-Inflation aber ist Ausdruck eines echatologischen Weltbildes des Schwarms dieser Gesellschaft: Paradies auf die Erde holen, als ob das ginge. Alle sind gleich – das ist falsch. Aber die weniger Guten erklären sich damit zu – Gleichguten. Coaching-Inflation ist wie „Geiz ist geil“. Qualität wird ruiniert durch Quantität.
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