Macht Fernsehen dumm?

Fernsehen mit Fernsicht.

Also wenn Sie das Foto oben anschauen, so bisschen konzentriert und leicht meditativ: ich sage Ihnen, dort riecht es intensiv nach Salbei. Denn auf dieser Straße bin ich gefahren in Utah. Und es war heiß, brutal heiß. Natürlich nicht im Auto. Als wir ausstiegen aber. Es rollten in der flirrenden Hitze auch große Ballen von Gestrüpp wie ferngesteuert durchs Land, das uns verwunderte, denn „Was ist das für ein Gestrüpp?“ – wir wissen es bis heute nicht. Und dann eben dieser unglaubliche Salbeigeruch. Er schien die Körper zu umschmeicheln, so griffig fast wie ein stabiler Stoff. Ein Salbeimeer zum Hineinliegen.

Das Gefühl überkam uns alle – Vater, Mutter, Kind – von Heiterkeit und Freiheit. Denn auch diese unglaubliche Weite! Und hinter der Kette der blauen Berge kamen viele! Genau wie unbegrenzte Möglichkeiten. Sinnliches Erleben, man hätte ein Pferd haben müssen, um damit wie Cowboys und Indianer durchs Lander zu preschen.

Macht Fernsehen dumm?

Tagesschau und Frühschoppen

Als ich Kind war, saß die gesamte bundesrepublikanische Nation vor dem kleinen Fernsehapparat, wenn die Uhren 20 Uhr schlugen. Tagesschau. Jeden Abend Tagesschau. Bäm-Bäm! Bäm, Bäm, Bäm Bäm! Tagesschau war wichtig, das Fernsehen am Abend vereinte die Familien, das informierte die Familien. Das war noch ganz gute Information, denn damals hatten Journalisten den Ehrgeiz, „objektiv“ zu berichten und an den Universitäten diskutierten die Langhaarigen, ob es Objektivität überhaupt gab. Die heutige Subjektivität der staatsfinanzierten öffentlich-rechtlichen Medien war im freien Westen ganz und gar unvorstellbar. Das gab es damals nur in der DDR, also „drüben“.

Man diskutierte keineswegs, ob Fernsehen dumm mache, den Fernsehen war neu und aufregend und also machte es jung und interessiert. Man konnte nach der Tagesschau einfach mitreden. Bei Werner Höfer im sonntäglichen Frühschoppen um 12 saß öfter eine französische Dame, die Dame war, elegant und hervorragend Deutsch sprach, und so wollte ich auch werden und deswegen wurde ich vermutlich Journalistin. Woran man eine Antwort erkennt auf die Frage: Macht Fernsehen dumm?

Ob es dumm macht oder eher die Hirne bereichert – das hängt sehr stark von der Qualität des Fernsehens ab.

ARD-Tatort kontra Netflix

Also ich habe nun Netflix abonniert. Ich liebe die US-amerikanischen Serien, in denen Sätze gesagt werden wie: „Ja, es ist nicht alles leicht!“

In den deutschen Tatorts ist das vermutlich am häufigsten gebrauchte Wort: Scheisse. Das sagen pennermäßig angezogene sogenannte Kommissare, sobald sie einen toten Menschen irgendwo finden.

Ich finde das abstoßend: Kommissare, die offensichtlich alle an Depression leiden und latentem Hass auf eigentlich alles. Negative Weltsicht wird transportiert. Nichts am Leben ist leicht, alles ist gemein und hart.

Und wenn mein kleiner Sohn das hätte damals sehen dürfen – ich fürchte, er wäre verblödet und auch depressiv geworden, wie die versifften Kommissare. Denn wir lernen von Vorbildern. Also achtet auf Eure Vorbilder!

 

Der Golfkrieg, mein Baby und ich

Als der Golfkrieg zwischen Iran-Irak tobte (1980-1988), gab es 1986 infernalische Höhepunkte des schlimmen Treibens. Mein Sohn genau da geboren, als ich, Journalistin, meinte, ich müsse jede Sondersendung über die Angriffe sehen. Einerseits merkte ich plötzlich, dass immer dieselben Bilder gesendet wurden. Heute nennt man das Fake. Andererseits merkte ich, dass mein wenige Monate altes Kind, beim Frühstück auf meinem Schoß sitzend, ganz aufgeregt das Köpfchen nach diesen eiligen Bildern drehte, die dort im Fernseher in hohem Tempo vorbeisausten. Ich setzte mich um, aber auch da dreht er den Kopf dermaßen energisch nach den Bildern, dass ich um sein Genick fürchtete und die Kiste eben ausschaltete.

Im Pädagogikstudium hatte ich gelernt: Fernsehen, Spielfilme, Shortcuts sind viel zu schnell für ein unreifes Menschengehirn. Die Kinder können dem Tempo der Bilder in Wirklichkeit gar nicht folgen. Informationsgehalt also gleich Null. Aber: die Bilder erzeugen enormen Stress, sie bringen die Kinder in einen Adrenalinmodus. Dieser erzeugt einerseits Wohlgefühl, denn Aufregung, der Thrill, macht lebendig. Warum sonst schauen wir Krimis. Andererseits wächst so das Bedürfnis nach immer neuem Thril, und das nennt man Sucht.

Kinder macht Fernsehen also sicher nicht intelligent und vermutlich auch noch abhängig nach dieser Dröhnung mit eiligen Bildern. Ja, hier macht Fernsehen dumm.

Der alltägliche Negativ-Beschuss und Sie

Bad news is good news – das ist einer der Leitsätze des Journalismus. Leider. Das liegt nicht an den bösen Amerikanern oder Engländern, die den heutigen Journalismus prägten. Das liegt an uns Menschen.

Schon für unsere höhlenbewohnenden Vorfahren war es einfach lebenswichtig zu wissen, ob da in der Nähe Bären herumschlichen, um die menschlichen Neugeborenen zu fressen und alle übrigen Vorräte gleich mit. Hilferufe, Warnsignale erregen logischerweise bis heute mehr Aufmerksamkeit, als etwaige Freudenschreie der Jungvermählten in der Nachbarhöhle.

Wir reagieren hilfreich, wenn jemand um Hilfe ruft. Aber „wer ein Mal lügt, dem glaubt man nicht“. Wer zu oft „Feuer!“ schreit, wird bald ignoriert werden. Und deshalb lässt sich sagen, dass Fernsehen mit negativen Meldungen und Filmen die Menschen schlichtweg abstumpft. Und abgestumpfte Menschen sehen die Welt in dunklen Farben, verlieren leicht Zuversicht und Hoffnung, werden depressiv, kriegen Burnout.

Macht Fernsehen dumm? Ja, tut es.

Und zwar genau deswegen. Denn abgestumpfte depressive Menschen verlieren den Glauben an sich. Heißt: sie verlieren die lebensnotwendige Selbstwirksamkeitserwartung. „Yes, I can and I will“ gilt dann absolut nicht mehr. Menschen, die ausgebrannt durchs Leben schleichen, haben kein Interesse mehr an der Welt und an sich und an Neuem.

Interessant in diesem Zusammenhang für Sie vielleicht, die sie Ihre kleinen Kinder vor dem Fernseher parken: Demenz und Alzheimer korrelieren positiv mit Depression. Heißt: Depression und die mit ihr verbundene körperlich-geistige Inaktivität gilt als Vorstufe, womöglich Auslöser von Demenz- und Alzheimer-Krankheit.

Ja, macht dumm.

Alles macht dick und dumm, was uns nicht emotional, körperlich und geistig-intellektuell in Bewegung bringt und hält.

Hier erfahren Sie ein wenig mehr über meinen Sohn – er durfte nach dem Golfkriegs-Erlebnis vor dem dritten Geburtstag überhaupt nicht mehr Fernsehen, heißt: wir stellten die Kiste in den Keller und schauten zu Erwachsenenzeiten. Später freuten wir uns gemeinsam an Kinderfilmen und redeten hinterher wild darüber. Noch später wurden wir regelmäßige Besucher des berühmte Hamburger Abaton-Kinos mit anschließendem Eisessen.

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