Was ist Liebe

 

Von Liebes-Glück und Trauer

Wenn jetzt jemand hier anruft, nach Coaching verlangt, mich kennenlernen will, dann kann es sein, dass plötzlich schon im Vorgespräch Privatestes zur Sprache kommt: „Ja, vor 3 Wochen ist der Mann gestorben, den ich heiraten wollte“.

Das berührt mich jenseits aller Professionalität sehr. Dann rumpelt mein Herz. Der Tod von Artgenossen tut uns weh, das tut uns leid. Das Weh anderer Menschen lässt uns gar nicht kalt. Und der Tod freut uns nicht, weil wir am liebsten ja immerzu leben würden. Sowieso freut der uns also nicht. Wenn jemand stirbt, werden wir immer daran erinnert, dass wir selber auch zu den Sterblichen gehören. Vom Problem zum Ziel zur Lösung – die fundamentale Coaching-Weisheit lässt sich hier nicht anwenden. Der Tod ist kein lösbares Problem.

Das einzige, was dagegen helfen kann, ist die Liebe zum Leben.

Ist Liebe Lösung?

Als Stunden danach auch mein Gehirn rumpelte, fragte es, was eigentlich Trauer sei? Ist das Verlustangst letztlich, Lebensverlust-Angst?

Und ferner fragt es: Was ist eigentlich Liebe? Ist es das Gefühl, das wir haben, wenn uns jemand nicht allein lässt? Oder ist es das Gefühl, das wir haben, wenn wir uns im anderen gespiegelt sehen, uns dort wiedererkennen? Und wenn der Geliebte stirbt, sind wir dann nicht weniger alleine, als wir es wären, hätte er sich scheiden lassen, weil seine Liebe gestorben war?

Natürlich ist das nicht mehr Liebe, wenn sie tot ist und die beiden Überlebenden mit grauen Gesichtern griesgrämig nebeneinander her durchs Leben schlurfen. Aus reiner Angst vor dem Alleinsein und dem Rentenverlust.

Ich glaube, Trauer trauert um den Verlust von Potenzial, also von Liebe.

Wenn der Tod Liebe erzeugt

Sie habe ihren Vater gehasst, erzählte mir kürzlich eine Anruferin. Dann habe sie ihn auf seinen letzten Tagen begleitet und der Tod habe die Liebe in ihr geweckt.

Scheint so, als zeige sich Liebe auch in Trauer? Als mein Vater starb vor 30 Jahren, brach mir eine Welt zusammen … mein Schutz war weg! Und dabei war ich doch schon erwachsen gewesen und hatte eben meinen Sohn geboren.

Jedenfalls versprach ich ihm, seinem Enkel von ihm zu erzählen. Im Vertrauen darauf, dass der physikalische Grundsatz, wonach keine Energie verloren gehe, auch für Seelenenergie, das Feinstofflichste also, gilt. Ich glaube, mein lustiger Soldaten-Vater wurde niemals so gerühmt. Lange nach seinem Tod hat er mehr Leute zum Lachen gebracht und aufgemöbelt mit seinen ulkigen Weisheiten und Sprüchen, als zu Lebzeiten.

Und dann las ich mal in einer Anzeige von einer trauernden Frau die Worte: „Mir hat immer alles so gut gefallen, was er tat.“ Da kann man sich Liebe doch gut vorstellen, nicht? Ich finde, wir sollten unsere Herzens-Trauer trösten, indem wir die Toten ehren, indem wir sie rühmen, indem wir uns mit Liebe an sie erinnern. Ich glaube, dass wir dadurch wachsen.

I love you so …

„Ich will doch nur, dass alles so wird, wie es war!“, sagte die Mutter zur erwachsenen Tochter, die sie vorher geohrfeigt hatte wegen deren Widersetzlichkeit, die man bei Erwachsenen ja Eigenständigkeit nennt. „Nee, sicher nicht!“ würden wir alle sagen, „das ist keine Liebe, wenn man den anderen in Beton gießen will!“ Das ist die Liebe der Narzissten.

Das stimmt: Wenn es weh tut, ist es keine Liebe, sondern Herrschsucht.

Dann gibt es die Geschichte, die ich hörte, von dem 18-jährigen Jungen vor dem Abitur, den die Liebe gepackt hat zu einer Freundin, die ihn nach kurzer Zeit zu beschimpfen beginnt, die ihn sogar haut, die ihn abschottet von den bisherigen Freunden, ihm alles schlecht redet, was er bisher liebte um die Eine-und-Alle zu sein für ihn. Seine Mutter ist amVerzweifeln: „Mein schöner Sohn! Mein wundervoller Sohn! Und er könnte wirklich jede haben – wieso ausgerechnet diese Böse und so Hässliche?“

Vielleicht ist der so reich ausgestattet Sohn Opfer seines Mitleids für die aus armen Verhältnissen kommende und kein bisschen hübsche Freundin, will quasi Ausgleich schaffen, ist dadurch aber nicht in Liebe, sondern in Abhängigkeit.

 

Und Ehre den Lebenden

Einmal bei einem Vortrag fragte ich kühn: „Wer von Ihnen wird zu viel gelobt?“ Es breitete sich Stille im Saal aus. Beklommene Stille. Nach einiger Zeit rief mir aus der vierten Reihe jemand geradezu empört entgegen: „Was heißt hier: Zu viel??“ Ich habe die Frage noch sehr oft wiederholt. Noch nie hat jemand gesagt, befriedigend oft gelobt zu werden.

Ja, klar, mit dem Ehren kann man auch schon zu Lebzeiten anfangen. Das heißt dann ehrlich-herzliches LOBEN. Man kann gar nicht früh genug damit anfangen, also nämlich JETZT.
Und am besten fangen Sie mit dem Selbstloben an. Denn so kommen wir in die Selbst-Liebe, die sehr viel bewirkt. Nämlich dies alles:

  • Sie  bringt uns zum richtigen Liebes-Partner
  • Sie tröstet uns über Tod hinweg
  • Sie macht uns frei und unabhängig
  • Sie schützt uns vor den Vampiren und Narzissten
  • Sie macht uns stark für Entscheidungen

Liebe ist, wenn Sie sich jetzt mal auf Ihre Heldengeschichten besinnen.

Und natürlich könnten Sie auch einen Screenshot der Titelgrafik machen, sie ausdrucken und an Ihren Rasier-Spiegel hängen. Das Bild ist, wie viele hier inzwischen, von der israelischen Künstlerin Gal Amar. Ehre, wem Ehre gebührt!

Was wäre das Leben, hätten wir nicht den Mut, etwas zu riskieren. (Vincent van Gogh)

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