Kampf oder Flucht?

 

Fight or Flight, Kampf oder Flucht oder Stress lass nach

 

Dazu will ich noch eine Geschichte von Milton Erickson erzählen, der ja bekanntlich zwei Mal in seinem Leben Kinderlähmung hatte, und der nicht nur wegen seiner Selbstheilungsfähigkeiten berühmt geworden ist: Er ist der Erfinder der Hypnotherapie.

Der Milton Erickson war in jeder Hinsicht eine Ausnahmegestalt. Zum Beispiel verteilte er überall seine Visitenkarten und sagte den Leuten „Sie brauchen dringend eine Psychotherapie und zwar bei mir“. Und nun kann man sehen, dass unkonventionelle Methoden unkonventionelle Ergebnisse zeitigen.

Denn eine der Visitenkarten gelangte so in die Hände eines Mannes, der als Schwerverbrecher den Großteil seiner 50 Lebensjahre im Knast verbracht hatte. Er war so verzweifelt, als er eines Tages wieder mal perspektivlos auf der freien Straße saß, dass er Milton anrief. Weil er wusste, sein Leben musste sich JETZT ÄNDERN, oder nie.

 

Fight or flight, Kampf oder Flucht – das Prinzip

Eidechsen haben es, Hunde, Katzen, Menschen: In echter größter Bedrohung schaltet sich das Kampf oder Flucht-Programm ein: Wir wehren uns entweder gegen den Aggressor oder wir schauen, dass wir Land gewinnen. Wir greifen an zur Verteidigung. Wir rennen weg oder ducken uns, stellen uns tot. Dieses Grundmuster wird in der Kindheit in die eine oder andere Richtung verstärkt. Es gibt noch das Einfrieren: Freeze, eine Form der Flucht nach innen, eine tiefinnerliche Schockstarre, die Symptome zeitigt, die man Depression nennt. Die hohe Zahl der attestierten Depressionen zeigt, dass nicht das Aggressiv-Verhalten, sondern das Wegducken das Hauptproblem unserer Zeit ist.

Denn Depression kommt vom Wegducken und Totstellen. Sie steht und fällt mit geringer oder hoher Selbstwirksamkeitserwartung und die hat zu tun mit Selbstvertrauen.

Milton Erickson zielführend

Irgendwann nach dem Vorgespräch und ersten Treffen war es, dass Milton sagte: „Passen Sie auf, mein Garten ist fürchterlich ungepflegt, geradezu ein Urwald, aber hinten steht eine Gartenhütte, in die Sie einziehen könnten. Dafür machen Sie mir den Garten schön. Und zwischendrin führen wir das eine oder andere Gespräch.“

Es ist eigentlich damals ein absolutes No-Go gewesen, dass Psychotherapeuten Visitenkarten von sich verteilten und Klienten anbaggerten. Es herrschte auch noch die freudianische Ansicht, wonach es keine Beziehung zwischen Therapeut und Klient gebe und auch nicht geben dürfe. Deshalb verstieß Milton zweifach gegen eiserne Regeln und zeigte, dass es viel bringt, Menschen nicht als krank abzustempeln, die einfach ihre Richtung noch nicht gefunden haben und deswegen einfrieren, in Trauer verfallen oder aber wie der neue Mitbewohner Miltons wie wild um sich schlagen. Kampf oder Flucht als Reaktion auf nicht glückliches Leben. Ja, ist das Leben Kampf und Krieg??

 

Die Alternative: Der Homo ludens

Ich weiß nicht mehr, wann genau der Mann, der in die Gartenhütte einzog und den Garten von Milton pflegte, diese Frau kennenlernte … nach einem Jahr so ähnlich war das … und ich weiß auch nicht mehr, ob die dann mit ihm in die Gartenhütte einzog, jedenfalls war der Milton Erickson ein außerordentlich unkonventioneller Mann. Und er hat dieses Leben gerettet durch Pragmatismus statt Dogmatismus.

Milton Erickson war ein Homo ludens.

Das ist ein spielender Mensch, einer, der wie Milton es tat, sagt: „Hei, geh mir weg mit den starren Regeln, lass uns lieber damit spielen und neue Wege beschreiten!“

Das Spiel ist menschliches Grundbedürfnis. Das Spiel mit den Möglichkeiten macht uns glücklich, freundlich, erfolgreich und hält uns jung.

Der spielerische Wettkampf zeigt Kindern, wo ihre Stärken liegen, gibt Selbstbewusstsein und führt zu originellem Denken. Wenn wir das Leben nicht mehr als Krieg und Überlebenskampf betrachten, können wir wieder in den Spiel-Modus zurückkehren, in dem wir als Kinder auch schlimme Erlebnisse überstanden haben.

 

Wandeln wir den „Lebenskampf“ durch Spiel

Spielen wir doch einfach unser Leben

Sobald wir den Spiel-Modus gegen den Kampfmodus von Kampf oder Flucht setzen, wird die Zahl der Depressiven in den Konzernen rapide schrumpfen. Mein Coaching beruht auf dem Spiel-Modus:

Wenn ich einen Klienten vor mir habe, dem gesagt wurde, er sei depressiv, dann frage ich nach den Gründen für seine Trauerigkeit (sic). Und wir finden jede Menge Gründe! Und dann hört der Mensch meist ziemlich schnell auf, sich selber in Zweifel zu ziehen. Er wischt das Krankheits-Etikett „depressiv“ weg, weil er weiß: „Hallo, meine Frau, die Rechthaberin, ärgert mich dermaßen,  dass ich ganz verzweifelt bin inzwischen!“ Er hört auf sich wegzuducken und entdeckt konkrete Handlungsmöglichkeiten. Er packt sein Leben an.

Aktion statt Aggression

In Wirklichkeit ist die Flucht nach Innen eine Spezialform des Kampf-Modus: Es ist eine Selbstaggression, entwickelt in der Kindheit. Wütender Rückzug nach innen, weil der kleine Mensch naturgemäß keine große Handlungskompetenz besitzt, sondern in Abhängigkeit steht zu den verantwortlichen Erwachsenen.

Die Verzweiflung bei Erwachsenen hört augenblicklich auf, sobald sie ihr Selbstvertrauen zurückgewinnen und damit das Vertrauen in die eigene Handlungskompetenz, das man Selbstwirksamkeitserwartung nennt. Ich berichte aus einem Stuttgarter Coaching darüber und hier über die Hintergründe von Depression, die nämlich steht und fällt mit geringer oder hoher Selbstwirksamkeitserwartung.

Das Spielen

Wenn man so weit ist, wieder an sich und die eigenen Fähigkeiten zu glauben, geht das Spiel mit den Möglichkeiten los:

  • Sie sagen dem Chef mal Ihre Meinung!
  • Sie hauen auf Tische und lassen die Sau raus (es gibt zivilisatorische Stufen dafür)
  • Sie sagen Nein und machen konstruktive Vorschläge
  • Sie sagen gar nichts, sondern fangen an, die eheliche Wohnung umzuräumen
  • Sie ändern Ihre Frisur, Haarfarbe, Erscheinungsbild und schauen, was dann geschieht
  • Sie hören auf, sich wie ein Workaholic zu benehmen, weil Sie sich selber wieder die Erlaubnis zum Spielen geben, weil Sie plötzlich merken, dass man Leistung auch spielerisch zeigen kann und nicht nur mit zusammengepresstem Kiefer.
  • Sie machen Ausfallschritte und agieren nach dem kreativen Trial-and-Error-Prinzip
  • Sie schaffen sich – privat undberuflich – Spiel-Raum

Denn wenn der Zweifel aufhört, endet das Kämpfen. Man kann es auch so sagen: Sobald schockerstarrte, eingefrorene innere Kinder auftauen, fangen Erwachsene an, fröhliches Leben für möglich zu halten und zu gestalten. Oder so herum: Sobald Sie es für möglich halten, schmilzt die Schockstarre weg.

Und eine Buchempfehlung zum Thema hier.