Be Artist!
Kapitel in diesem Beitrag:
Lebenskunst und Denken in Möglichkeiten
„Be Artist!“ ist ein Lebensprinzip, und es ist leider ganz und gar nicht sehr verbreitet.
Dieses Lebensprinzip „Be Artist“ sagt nicht Nein, sondern sagt Ja. Sagt auch „Neuer Tag, neues Glück!“. Das sind andere Worte für die geflügelte Parole, dass man es selber entscheide, ob das halbgefüllte Glas als halb voll oder als halb leer zu betrachten ist.
Jemand sagte mir, das sei ihm egal, Hauptsache, im Keller lägen genügend volle Flaschen, was doch ein starkes Sicherheitsbedürfnis offenbart, wie es aber legitim ist.
Karl Lagerfeld, der dieses Frühjahr verstorbene Mode-Zar, wäre vermutlich nicht der Modezar geworden, hätte er nicht ein großes Vermögen erben dürfen und also daher die Sicherheit für seine „Be Artist“-Lebenseinstellung bezogen: Er zeichne pausenlos, erzählte er in eine Kamera hinein, und 80 Prozent der ganzen Skizzen flögen immer sofort in den Papierkorb.
Gut, zugegeben, er konnte es sich leisten, großzügig zu denken und zu agieren.
Reichtum macht frei
Angenommen, Sie würden bei Erwähnung dieses Glückspilzes Lagerfeld sagen: „Pah, das ist keine Kunst, hätte ich so viel Geld, wäre ich auch freier und wagemutiger!“ – dann würde ich Ihnen sagen: „Wunderbar! Sie haben soeben Ziele markiert und schon angefangen, in den Möglichkeiten zu denken, statt wie üblich in den Unmöglichkeiten!“
Ja! Indirekt jedenfalls hätten Sie dann gesagt, dass Sie gerne frei und wagemutig wären. Und Sie haben zugegeben, dass Sie gerne reich sein würden, was ein Wunsch ist, woraus sich leicht ein echtes Ziel machen lässt. sobald man ein Ziel hat, muss man ja nur noch fragen, wie man es erreicht, was man bereit ist, dafür zu tun und vor allem auch zu lassen. Das Jammern etwa muss man dann lassen. Und das Verachten.
Das sagte ich gestern einer jungen Frau, die ganz allgemein und abstrakt gerne richtig selbstbewusst wäre. Einige Sätze weiter äußerte sie sich absolut verachtungsvoll über ihren Vater, der die Familie verlassen und alleingelassen hatte. Er lebe in der Türkei. „Aha, er ist also Türke!“, sagte ich, was sie mit sehr großem Widerwillen bestätigte. Sie sehe aber gottseidank gar nicht danach aus. „Ich bin und bleibe Deutscher. Aber Vorsicht! Im Herzen bin ich immer noch Türke!“ schreibt Akif Pirincci in einem fulminanten Polit-Essay.
Ablehnung der Fakten, der Herkunftswurzeln etwa – das verhindert natürlich Selbstbewusstsein und es verhindert, dass wir als Künstler und freudig durch die Welt gehen.
Lustspiel statt Drama
„Be Artist“ braucht nämlich Neugier und Interesse und zwar an allem, was das Leben präsentiert.
Angenommen, der untreue Vater also kommt daherspaziert aus der Türkei zurück nach Deutschland und will von der erwachsenen Tochter geliebt werden …. klar, die kann sagen „Was’n Axschlxch! Alter Depp!“ Sie könnte auch sagen: „Oho! Sehr fein, was zahlst du dafür, wenn ich Papa sage, in Anbetracht dessen, dass du keinen Cent Unterhalt an meine Mutter abgegeben hast?“
Schon haben wir Lustspiel. Solche Dialoge sind es, die wir, sehen wir sie auf Bühnen und im Film, herzlich belachen. Weil wir auch gerne so keck daherreden würden. Es ist nur so, dass uns absolut niemand hindert, das in Wirklichkeit zu tun. Wir müssen nur das Energiefeld wechseln.
Rosa Kunstpersianer
Es ist ein absolut verrückter Mantel, den ich da aus reiner Begeisterung in einem Stuttgarter Laden aufgegabelt habe. Den Sie oben auf dem Foto ausschnittweise sehen. Beim ersten Regenschauer, in den ich mit ihm geriet, fing er ganz merkwürdig an zu muffeln. Die Ladenbesitzer gaben ihn in eine Reinigung. Dann kam gleich im Frühling der überraschend vorgezogene Hitze-Sommer, so dass ich nicht mehr in einen Regen kam mit dem Mantel, weil er ein Wintermantel ist. Wir werden sehen, ob er noch muffelt oder nicht. Sicher ist aber, zum Lustspiel braucht man passende Kleider. Oder wie ein kürzlicher, ehemaliger Klient, eine passende Super-Hightech-Uhr am Handgelenk, die ihn nun als Avantgardist und Spielfreudigen outet, so dass er plötzlich mit ganz anderen Leuten als früher ins Gespräch kommt. Ja, „Be Artist!“
„Denk‘ ich an Deutschland in der Nacht …
…. bin ich um den Schlaf gebracht!“ Textete Heinrich Heine (1797-1856) in seinem „Wintermärchen“. Ein toller Stilist, aber als kritischer, politisch engagierter Journalist, Essayist, Satiriker und Polemiker war Heine ebenso bewundert wie gefürchtet. Die kleine Klima-Greta aus Schweden will in dieser Tradition sogar die Panik verbreiten, die sie irrtionalerweise angeblich empfindet.
Will man gefürchtet sein, aufrütteln durch Panikmache und das Leben kämpfen? Oder will man es tanzen mit anderen, die ebenfalls furchtlos alle Möglichkeiten ausspielen und sogar Unmöglichkeiten sich zu denken trauen? Das fehlt nicht nur in der Politik, dieses kreative Denken in angeblichen Unmöglichkeiten, die das angeblich Illusorische möglich werden lassen! Das müssen wir züchten, hegen und pflegen!
Und das sind Grundentscheidungen, die wir alle zu treffen haben, die wir treffen dürfen. Und für die wir heute, hier in Europa, dort in den USA, in Kanada, Australien, alle Freiheit haben, und hoffentlich morgen und übermorgen auch noch. Was schon wieder einige Ziele beinhaltet.
Genau dann, wenn einen einiges – privat, beruflich, politisch sogar – eigentlich um den Schlaf bringen könnte, genau dann achten Künstler auf den guten Schlaf, weil man für das Lustspiel Leben in guter Kraft sein will.
„Be Artist!“ Fake it, till you make it!