Was ist ein Plagiat

 

Die denkbar einfachste Antwort: Plagiat ist Betrug

Ja, das ist die schlichte Wahrheit. Auch wenn inzwischen nicht mal MinisterInnen zurücktreten müssen, wenn herauskam, dass sie ihre Doktorarbeit mit geistigem Eigentum anderer Menschen gefüllt hatten. Das ist degoutant, unredlich und hinterlistig.

Plagiat – der Begriff kommt aus dem Lateinischen von plagium oder plagiarius, Raub, und im Griechischen heißt plágios unredlich, hinterlistig. So, das sagt alles.

Ich habe diese Begriffe in meinem altmodischen Herkunftswörterbuch von Duden nachgeschlagen, das 1989 herauskam. Ein Plagiator ist ein Mensch, der sich gerne mit akademischen Abschlüssen und Titeln schmücken, aber dafür nicht selber arbeiten will. Deswegen schaut er heutzutage einfach im Internet, wo sich vieles findet, was andere zu dem fraglichen Thema bereits recherchiert und gesagt haben. Dann zieht der Plagiator oder die Plagiatorin die Maus drüber und sagt: Kopiere! Im nächsten Schritt setzt er/sie das Kopierte in den eigenen, dann fremdgeschmückten Text ein.

Ein Plagiator gehört meines Erachtens zur üblen Sorte unter den Menschen und sollte keineswegs öffentliche Ämter bekleiden dürfen. Denn er ist nicht nur ein Dieb, sondern auch noch in aller Regel schuldig des Meineids.

Wer Doktortitel erschleicht, ist meineidig

Wir haben es mit einer Straftat zu tun.

§ 154 StGB Meineid

(1) Wer vor Gericht oder vor einer anderen zur Abnahme von Eiden zuständigen Stelle falsch schwört, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

Das habe ich zitiert und zwar nach dejure.org. Zitieren dürfen Sie jederzeit.

Zitieren heißt: Man macht den entlehnten Text kenntlich durch die Gänsefüßchen und gibt genau die Quelle an, also den Ort, wo man den Text gefunden hat. So macht man Texte und Aussagen überprüfbar und man erweist dem ursprünglichen Verfasser die gebührende Ehre. Das gehört sich einfach so – im Journalismus, woher ich ursprünglich komme, und erst recht beim wissenschaftlichen Arbeiten, bei dem man schließlich die eigene wissenschaftliche Befähigung unter Beweis stellen soll und nicht die eigene Eitelkeit.

Warum ist ein Dissertations-Plagiator meineidig

Jeder, jede, der/die eine Dissertation bei seiner Universität einreicht, versichert dabei „an Eides statt“, dass es sich um eine eigene geistige Leistung handelt. In der Promotionsordnung der Universität Freiburg, wo ich zur Dr. phil. promovierte, heißt es:

„Bei der eingereichten Dissertation zu dem Thema  ……. handelt es sich um meine eigenständig erbrachte Leistung. …. ich habe nur die angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt und mich keiner unzulässigen Hilfe Dritter bedient. Insbesondere habe ich wörtlich oder sinngemäß aus anderen Werken übernommene Inhalte als solche kenntlich gemacht. …. Ich versichere an Eides statt, dass ich nach bestem Wissen die reine Wahrheit erklärt und nichts verschwiegen habe.“ Nachzulesen hier.

Das muss man unterschreiben. Bitte denken Sie daran, wenn Sie irgendwelche Unschuldsbeteuerungen von wegen: „Ich wollte  nicht, aus Versehen passiert … etcpp“ hören: Jede/r, der/die eine Dissertation als Eigenes einreicht, muss so eine Erklärung an Eides statt unterschreiben und kann sich keinesfalls auf Nichtwissen berufen. Sollte im Falle der Entdeckung zumindest die Sache eingestehen und dann schnell erst mal abtauchen. So, wie es der Ex-Minister von Guttenberg tat.

Immerhin. Wenigstens. Das ist einfach eine Stil-Frage. Wer entdeckt wird und sich weiter festklammert – naja, besitzt einfach gar keinen Stil. Finde ich. Also jene Bundesministerin Giffey besitzt gar keinen Stil und sollte schon deswegen abtreten.

Schere und Klebstreifen statt Internet und PC

Das Internet macht das Plagiieren leicht.

Als ich in den 80ern meine Dissertation einreichte, gab es kein Internet. Die Versuchung zu plagiieren war also, zugegeben, nicht so riesengroß wie heute. Damals hätte man den geklauten Text eigenhändig erstmal abschreiben müssen. Dabei hätte das schlechte Gewissen viel Zeit gehabt, sich zu melden und „lass ab von dem Tun, du Sünder!“ zu rufen.

Ich brachte die ganzen 300 Seiten meiner Doktorarbeit auf einer mechanischen kleinen Schreibmaschine zu Papier. Man kann auch sagen: Ich hackte jedes Wort in die Tasten. Bei Änderungen zerschnitt ich die Seiten mit einer Schere und klebte die richtigen Stellen dazwischen. Der kostbare Packen Papier sah wirklich abenteuerlich aus, richtig wild und kreativ. Danach engagierte ich eine Sekretärin, die nebenher was hinzuverdiente, und mein Werk auf einer IBM-Kugelkopf-Maschine ordentlich ins Reine abtippte. Die IBM-Kugelkopf war damals der Porsche unter den Schreibmaschinen.

Wenn der Sekretärin Schreibfehler unterliefen oder wenn sie einen Satz übersah, musste seitenweise neu getippt werden, eventuell verschoben sich ganze Seitenfolgen – kurzum, es war ein Megastress, es war eine Heidenarbeit. Und alles wollte hundertmal geprüft und gegengelesen sein: Und stimmen auch die Literaturangaben genau und hast du nichts vergessen und war eigentlich der ganze Text sowieso womöglich ein Riesenmist?

Eines Tages dann erschöpft und aufgeregt die Fahrt zur alten Uni und fort war das Werk. Das Warten begann. Nach Wochen der schüchterne Anruf beim Doktorvater, ob er die Arbeit annimmt oder womöglich nicht …. dann sein Erstauntes: „Was? Wieso? Na, klar, ich überlege nur noch, ob Summa oder Magna!“ Schießlich gibt er mir „Magna cum laude“, das ist eine Eins. „Summa cum laude“ heißt „Ausgezeichnet“ und wird ziemlich selten vergeben, was, glaube ich, nicht mit der Qualität von Untersuchungen zu tun hat, sondern mit mangelndem Mut zur Exorbitanz  Aber egal: „Dabei sein ist alles!“ Hauptsache geschafft!

Berle, Heinrich Mann und die Weimarer Republik, bouvier-Verlag

Wenn der Plagiatsjäger Weber klingelt ….

ist der Schrecken groß.

Mich rief eines Abends 2020 der Dr. Weber aus Salzburg an, der sich selber Plagiatsjäger nennt und der dem Herrn von Guttenberg seinen Doktortitel ruinierte, indem er der Dissertation Plagiate nachwies. Ich glaube, es waren ziemlich viele sogar. Mir sagte der Herr freundlich, jemand habe ihn beauftragt, auch meine Dissertation zu checken und er könne, müsse und wolle mich beglückwünschen: „Ihre Arbeit ist vollkommen sauber, ja großartig in Ordnung, sie wird sogar andauernd in der Forschungsliteratur zitiert!“ Ich tat cool und sagte: „Oh ja, sicher! Das hätte ich Ihnen auch direkt sagen können!“ Ich hatte schließlich ein reines Gewissen, aber …. kann man je sicher sein?

Eine der guten Eigenschaften, die man beim seriösen wissenschaftlichen Arbeiten erwirbt, ist zweifellos ein gesunder Skeptizismus der eigenen Großartigkeit gegenüber. Weitere Sekundärtugenden sind Disziplin, Beharrlichkeit, Durchhaltevermögen und intellektuelle Redlichkeit.

Berle-Dissertation ist kein Plagiat

Plagiatfrei: Berle, Heinrich Mann

Probieren Sie es ruhig: wenn Sie „Berle, Heinrich Mann “ eingeben, zeigt Google tatsächlich 417.000 Ergebnisse an.

Damit hätte ich damals nicht gerechnet, als ich nach den Staatsexamina beschloß, auch noch zu promovieren. Als Arbeitermädchen den Doktor machen! Und ich arbeitete 3 Jahre an dieser Dissertation über den bewundernswerten Heinrich Mann. Manchmal, zeitweise kam ich mir vor wie ein Alien. Eine Doktorarbeit soll die Wissenschaft bereichern mit Neuem, ist ein Beitrag zur Kultur – war ich gut genug? War das, was ich herausfand in den Archiven, was ich analysierte, deduzierte, neu beleuchtete, war das wirklich originell und würdig, später in den Bibliotheken der Welt zu stehen?

Warum tat ich das und warum tat ich das mir an, verschwendete ich nicht meine Lebenszeit? Ich meine: Andere entdeckten Penizillin und neue Mittel gegen Krebs, was war dagegen Literaturwissenschaft, Geschichte, Politik?

Ich tat es, weil mich die DDR ärgerte

Ich tat es, weil die sozialistischen Wissenschaftler dieses gleichgeschalteten grauen „Arbeiter-und Bauernstaates DDR“ diesen von mir ob seiner Courage und seiner stilistischen Kühnheit grenzenlos bewunderten Heinrich Mann in eine Schublade steckten, die auch noch falsch war. Sie reklamierten diesen außerordentlichen Intellektuellen, diesen ziemlich elitären Vertreter geistiger Unabhängigkeit, diesen enorm steilen großbürgerlichen Charakter und tollen Schriftsteller einfach für sich und die Proletariats-Sache. Es erschienen in der DDR damals Abhandlungen über Heinrich Mann mit Titeln wie „Sein Weg an die Seite der Arbeiterklasse“. Ich, die ich sein Gesamtwerk gründlich studiert hatte, fand das enorm verlogen und falsch. Mich motivierte schlichtweg die Lust, diesen sozialistisch-fremdgesteuerten Lügnern das Handwerk zu legen. Naja, kurze Zeit nach dem Erscheinen meiner Arbeit im Bonner Bouvier-Verlag brach dann ja auch die DDR zusammen ….

Tatsächlich ist meine Doktorarbeit ein Standardwerk geworden. Wer zu diesem Themenkreis wissenschaftlich arbeitet, muss sich mit meinem Statement befassen. Eine Ehre, eine Freude für mich, denn das zeigt mehr Wirkung und Einflußnahme an, als es Doktorarbeiten gewöhnlich gelingt.

Angekränkelt von des Geistes Blässe und Staub in den Regalen

Das wissenschaftliche Arbeiten ist eine wirklich anstrengende Sache, die selten zu Ruhm und Ehren führt.

Man ist einsam in diesem Tun – egal, ob es sich um eine philosophisch-philologische Arbeit handelt wie die meine, oder um eine naturwissenschaftliche Untersuchung. Fast niemand versteht, was man tut. Die meteorologisch-physikalische Dissertation meines Sohnes etwa hätte ich niemals Korrektur lesen können – ich verstehe sie schlichtweg nicht mit ihren zeilenlangen mathematischen Formeln. Es ist eine Grundlagenarbeit, genau wie meine literaturwissenschaftliche unkonventionelle Analyse der politischen Schriften Heinrich Manns. Die zieht gewisse Kreise, einen Donnerhall gibt es nicht.

„Angekränkelt von des Geistes Blässe“ ist, wer so eine Mammutarbeit mit Ausdauer und Grips und Anstand über Jahre hinweg durchzieht.

Das geflügelte Wort hat sich übrigens der grandiose William Shakespeare ausgedacht: Hamlet-Monolog. Es war also nicht, wie ich kürzlich jemandem erklärte, unser Goethe. Ehre wem Ehre gebührt. Es ist Ehrensache, sich nicht mit fremden Federn zu schmücken. Und ich persönlich bin voller Hochachtung für jeden Menschen, der sich wissenschaftlich profiliert und promoviert hat. Egal, in welchem Fachgebiet, es ist immer eine kulturelle und zivilisatorische Großleistung. Wer da „schummelt“, disqualifiziert sich auch als Mensch.

Das Ghostwriting

Was soll man davon halten: Ein CEO, vom Konzern verabschiedet, schreibt ein systemkritisches Buch über Leben und Werk. Wird rezensiert, hochgelobt, zu Interviews eingeladen. Tut großartig, macht den strammen Max, gibt nun auch noch den Intellektuellen. Ich kenne aber seine Ghostwriterin persönlich, eine Journalistin, nie promoviert, aber unglaublich gebildet und eine tolle Schreiberin. Ist das nicht auch ziemlich unredlich und plágios?

Was soll man davon halten? Soll man die Ghostwriterin bewundern und den Auftraggeber verachten?

Es gibt heutzutage unendlich viele enorm kluge, akademisch gebildete und ausgezeichnete Menschen, die ihren Lebensunterhalt mit Ghostwriting verdienen – die einen brauchen das Geld, die anderen haben einfach Spaß daran, anderen Leuten die Hausarbeiten, die Bachelor- und Masterarbeiten, ja sogar die Dissertationen zu schreiben und so geistig beweglich zu bleiben.

Meine Meinung ist die: Wenn Sie andere beauftragen, für sich zu denken, tun Sie mir leid, weil Ihnen einfach eine wertvolle Lebenserfahrung und Reifeprüfung entgeht. Aber wenigstens sind Sie kein Plagiator, der anderen etwas aus Faulheit klaut. Immerhin bezahlen Sie dafür. Das ist ehrenwert, und den moralischen Rest muss jeder mit sich selber ausmachen. Die Ghostwriter in ihrer selbstgewählten Anonymität – die bewundere ich allerdings.

Mein Rat als Coach

Bezwingen Sie die Angst vor dem Versagen und schreiben Sie ihre Sachen selber. Es ist wie eine intellektuelle Initiation, ein Schritt zum Erwachsensein.