Vater ist ein Arsch

Vaterliebe, Mutterliebe … wie stehen Sie zu Ihren Eltern?

Vaterliebe? Gestern habe ich mit einem Klienten über seinen Vater diskutiert.

„Extremer Arsch“, blöder Mann, sagt er. Hat die Familie verlassen, noch zweimal geheiratet, weitere Kinder gemacht, geschlagen hat er auch. Mir fiel auf, dass der Bekannte die Geschichte leicht angeödet erzählte, so, als habe er sie schon oft erzählt. Mir fiel auch auf, dass er genau dieselben Sätze benutzte wie vor ein paar Monaten, als ich ihn jemand anderem gegenüber bereits vom Vater erzählen hörte.

Da sagte ich ihm: „Sagen Sie mal zehn Eigenschaften oder Fähigkeiten, die Sie Ihrem Vater gutschreiben könnten, ja, die Sie sogar an ihm bewundern könnten, ja: noch mehr: die Sie womöglich, wenn nicht sogar SICHER von ihm GEERBT haben.“

Nein, nix da, das sei schlicht ein Arsch gewesen, dieser Vater. Naja … er habe 5 Jahre russischer Kriegsgefangenschaft überlebt, das sei schließlich eine Leistung gewesen, oder? Aha … und es kam noch mehr: Der Vater sei nämlich im Krieg als Marine-Soldat auf den U-Booten gefahren. Ja, er habe tatsächlich 5 Versenkungen überlebt! Und nach dem vierten Mal sei er in britische Gefangenschaft geraten, sei geflüchtet, sei wieder mit U-Booten gefahren, sei wieder knapp dem Tod entgangen … ja, schon eine erstaunliche Geschichte, nicht wahr?

Resilienz: Was mich nicht umhaut, macht mich stark!

Man kann, glaube ich, sagen: Dieser Vater des Klienten war kein Schwächling, oder? Scheint auch ein ziemlich eigenwilliger und sturer Kopf gewesen zu sein und sehr sehr zäh, um nicht – in darwinscher Manier – zu sagen: überlebensfähig. Ja, sagte der Bekannte, der ist auch erst mit 85 Jahren gestorben! Und man konnte spüren, dass ihm dieser Teil des genetischen Erbes sehr gut gefällt.

Scheint überhaupt ein starker Vater gewesen zu sein, was die Gradlinigkeit des Menschen, von dem ich diese Geschichte erzähle, erklären kann. An starken Vätern wächst man. Und an den Schwächen der starken Väter auch. Wer Schläge und andere Eltern-Fehler überlebt, wird widerstandsfähiger als ein gehätscheltes Kind, das wegen der vielen potentiellen Krankheitserreger niemals auf öffentlichen Sandplätzen spielen darf.

Das ist schon wieder so was, das wir entscheiden können: Wollen wir ewig ewig als Opfer rumschlurfen, nur weil unsere blöden Eltern Fehler gemacht haben? Oder wollen wir die Goldstücke unserer Kindheit zusammenklauben bis wir uns stark genug fühlen für unsere eigenen Fehler?

Denn nur wer nix tut, macht auch null Fehler. Abgesehen von dem einen.

Wie Sie zu Ihren Eltern stehen, schwächt oder stärkt Sie.

Eine Klientin fragt mich, ob sie ihren Eltern mal so richtig die Meinung sagen solle. Brief schreiben und draufhauen. Bringt das was?

Psychohygienisch betrachtet bringt das ungefähr eine Stunde etwas, hinterher werden Sie schlechtes Gewissen haben und in das frühkindliche Muster regredieren, die Eltern zu bemitleiden.  Also bringt das nichts.

Zwei Sachen bringen mehr, glaube ich. Man kann in solchen Fällen einen Brief schreiben, den man nicht abschickt. Da kann man so richtig vom Leder ziehen, draufhauen, stechen, schlagen, schimpfen, vorwerfen … „Du, blöder Versager-Papa … -Mann … -Depp …“ Versager-Idiot-Werauchimmer. Das geht auch mit Ex-Liebhabern und Chefs. Dann verstecken Sie den Brief natürlich so, dass ihn wirklich auch nach Ihrem Ableben in 60 Jahren niemand finden kann. Und schnaufen tief durch. Gut jetzt?

Dankbarkeit aus Vaterliebe oder Respekt

 

So, nun wird es richtig spannend. Jetzt können Sie nämlich den Eltern keinen Brief schreiben, sondern sich selber. Dahinein schreiben Sie einfach, sagen wir: 10 Eigenschaften, die Sie durch den notgedrungenen Umgang mit diesen blöden Leuten gelernt haben.

Und dann gehen Sie noch weiter und schreiben für Mutter und Vater getrennt auf, welche guten, kostbaren Eigenschaften Sie mit dieser Person gemeinsam haben. Auch 10 Stück, jeweils.

Ich glaube, spätestens jetzt kommt Ihnen so ein Gedanke wie: „Danke, blöder Depp, für den ganzen Wohlstand, für die schöne Nase, den sturen Kopf, meine gesunden ererbten Haare und Zähne, den Unternehmergeist … danke, Stressmutter, für den Kampfgeist, den scharfen Intellekt, den bissigen Witz, den tollen Busen ….. “

Danke, dass ich durch Eure Mangelhaftigkeit gelernt habe, dass ich meinen eigenen Weg bauen muss. Darf. Kann. Will. Werde.

Im Zweifelsfall brauchen Sie nur Mut, um sich auf den Weg zu einer Vaterliebe zu machen im eigensten Interesse.

Da empfehle ich meine MUT-Tanke.