Mein Freund, das Zweifeln

Oder: Wie Sie das Zweifeln zum Freund machen

Jetzt werde ich gefragt, was man gegen Selbstzweifel tun könne. Das Zweifeln ist ein komplexes Thema. Erstens haben alle Menschen, die ein Großhirn besitzen, einen Neokortex, Sitz der Vernunft, der Ratio, zwangsläufig von Zeit zu Zeit Selbstzweifel. Man müsste schon ein tumber Tor sein, um nie welche zu haben. Denn der Zweifel ist ein Optimierungsinstrument.

Descartes in Zeiten der Aufklärung hat dem Zweifeln sogar zentrale Bedeutung zugemessen: „Cogito, ergo sum!“ hat er gemeint und damit alles über den vernunftbegabten Menschen, Gipfelpunkt der Schöpfung, ausgesagt. Der Mensch zeige sich durch den Zweifel, durch das kritische, hinterfragende Denken.

Und was damit erreicht werden kann, sagte Kant im folgenden Jahrhundert: Befreiung aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit. Heißt: Wer nicht zweifelt und denkt, ist ein Depp und verschuldet seine Gefangenheit in despotischen Gesellschaften selber.

So kann man das betrachten und – wenn Sie es so betrachten – gewinnt Ihr Selbstzweifel schon andere Gestalt, richtig? Er wird zum Helden Ihrer Befreiung! Wenn er aber destruktiv ist? Und das ist er meistens. Weil wir uns das so angewöhnt haben durch Jahrhunderte hindurch.

Dann müssen Sie gegenhalten, indem Sie sich und den Selbstzweifel an Ihre Stärken erinnern. Das ist Positive Psychologie. Gegenhalten:

Indem Sie sich gleich mal an 3 Situationen Ihres Lebens erinnern, in denen Sie siegreich waren. Probleme gemeistert, Prüfungen bestanden (trotz des wehrhaften Selbstzweifels in Ihnen), Gefahren überwunden haben. Erinnern Sie sich …. und Sie merken, dass Sie plötzlich anders dastehen, richtig?

Gut, das ist das Hauptmittel gegen den überbordenden Selbstzweifel. Ein zweites Hauptmittel ist, mal genau hinzuhören, was der Selbstzweifel Ihnen sagen will. Manchmal zeigt sich bei diesem genauen Hinhören, dass Sie Selbstzweifel nennen, was eigentlich gar keiner ist. Kennen Sie das?

Wenn Sie genau hinhören – „Was sagt der sogenannte Selbstzweifel wirklich?“ – dann hören Sie vielleicht, dass er in Wirklichkeit Zweifel äußert an einer Situation. „Aha!“ Genau. Dann ist er ein Warnsignal, dass Ihnen etwas nicht behagt. Dann sollten Sie das Signal aufnehmen und hinschauen, was genau Ihnen nicht behagt. Dann ändern.

Und Sie sollten wahrnehmen, dass Sie sich einen Lebensstil angewöhnt haben, bei dem der Selbstzweifel vielleicht zu laut geworden ist. Und sich dann gegen Sie selber wendet. Das muss man ihm verbieten, denn der Selbstzweifel ist als Optimierer nur wertvoll, wenn er konstruktiv ist. Konstruktiv ist er dann, wenn er gelernt hat, WIE-Fragen zu stellen.

Das können Sie trainieren. Wenn der Zweifel fragt, ob Sie das und das schaffen/können, wandeln Sie die Fragesätze in: „Wie kann ich das schaffen“-Sätze. Trainieren Sie das, denn Übung macht die Meisterschaft!