Seneca

Seneca gibt Hoffnung

 

Früher, in vorelektrischer Zeit, war zu dieser Zeit jetzt eine dunkle Zeit. Zwischen Hexenneujahr oder Samhain und Jul, der Wintersonnwende, war es draußen so finster, dass es immer finsterer zu werden schien mit jeder Nacht. Ja, und es gab Stürme, die Wölfe heulten mancherorts immer dichter an den Häusern. Man tat gut daran, sich in die Stube zurückzuziehen, die Hektik der Brautwerbezeit, des Pflanzens und Pflegens und Erntens und Handelns schließlich einfach zu vergessen. Draußen waren die dunklen Kräfte am Werk, die Hel aus der Unterwelt mit ihren wilden Helfern, die machten ziemlich Angst in der dunklen Kälte.
Gute Zeit, um in sich zu gehen. Um zu überlegen, was will ich hinter mir, was will ich neu wachsen lassen.

Ich bin vorgestern in den Keller und habe sämtliche dort lagernden Kisten nach dem Weihnachtsschmuck durchsucht. Mein Sohn, David, hab Dank! hat mir geholfen, aber es hat nichts genützt. Der Weihnachtsschmuck aus 20 Jahren – weg. Alles hat den Umzug im vorigen Januar hierher geschafft. Nur der Weihnachtsschmuck nicht. Sonderbar. Nachdem ich es aufgegeben hatte, meinen eigenen Kopf für verrückt zu erklären, drang die neue Sicht der Dinge durch: eine Epoche ist unweigerlich zu Ende gegangen. Der Schmuck so vieler Weihnachten inniger Familienzeit ist weg. Hoi! Das Neue hat jetzt Platz!

Jetzt haben wir das elektrische Licht, die Städte sind hell, kein Grund zur Angst vor den Wölfen! Und doch … Finanzkrise, phantasielose Routine-Politiker, korrupte Konzerne, Rezession, Mann weg, Frau weg … viele Leute haben Angst in diesen Tagen. Auch weil alle sagen, das Jahr sei so dahingehuscht, als habe es einem Lebenszeit geklaut. Und dieser eine genialische Künstler mit nicht einmal 50 Jahren, der sich immer mit Morbidität befasste und so viel Zorn und Protest laut werden ließ (ein toller, ungewöhnlicher, rührender Mensch übrigens, finde ich), der fürchtet jetzt mit Grund, am Lungenkrebs zu sterben. Das tut weh und macht Furcht, was ja sozusagen das Cluster Tod, das Energiefeld Tod ist, ja, womöglich das Synonym …..

Und justament flattert mir ein langer Gedanke von Seneca auf den Tisch. Der geht so:

Es ist unser Irrtum, dass wir den Tod in der Zukunft erwarten. Er ist zum großen Teil schon vorüber. Was nämlich von unserem Leben hinter uns liegt, das hat der Tod.

Seneca, einer der wirklich Großen. Lesen Sie es sich ruhig ein paar Mal laut vor (und wenn Sie lachen, dann hören Sie damit auf). Und dann überlegen Sie sich in Ihrer Stube, vor der die Wölfe heulen, wer Sie eigentlich sind für ein toller Mensch; und was Sie wollen im Leben; und warum; und was Sie alles können und LIEBEN! Weil es wirklich so ist, dass nicht die Ursachenforschung oder die Statistik den Schatten vertreibt, sondern das Licht. Jul. Okey, dann noch die paar 13 Raunächte … jedenfalls das Alte hinter uns ist tot, gestorben.

Also kann es nur das Leben sein, das vor uns liegt. Und zwar JETZT. Im Moment. In diesem Moment. Begeisterung. Kraft. Lebenslust.