Bionik

Bionik – Krisenmanagerin Natur

 

Es ist ein halbes Jahrhundert her, als ich von einer Biene in den kleinen Kinderfinger gestochen wurde. Der Stachel wurde gezogen, die Wunde gekühlt, die Biene in den Honigtopf gesetzt. Freud hätte das Identifikation mit dem Aggressor genannt. Mein Vater kommentierte den Mildtätigkeits-Vorgang mit jener männlichen Sachlichkeit, die Frauen zuweilen erschreckt. „Das nützt auch nix“, sagte er, „die stirbt halt, das ist so.“ War so.

Darwin mit seinem Darwinismus ist ja bei vielen sehr in Mißkredit geraten, weil ihnen die Idee von der Auswahl der Besten nicht gefällt. Weil sie darin den Gedanken vom Abtöten eines irgend Schlechten verborgen sehen. Und, klar, wenn wir einen Diktator uns denken, der gestützt von Waffengewalt definiert, was gut und schlecht sei, dann steigt zu recht die Empörung. Sehr rückwärtsgewandtes Szenario. Finstere Vision, sollte man mal anders betrachten endlich, denn Visionen müssen leuchten. Oder lassen Sie sich etwa von Schreckensbildern leiten? Viele tun das, momentan würde ich sagen, es sind die meisten. Die Bedenkenträger sind nicht die Glücklichen.

Die Natur, die Schöpfung, das, was um uns herum und mit uns die Jahrmillionen hindurch sich entwickelt hat, schmeißt das Nichtlebensfähige raus, ob wir das wollen oder nicht. Das macht sie nicht aus Bösartigkeit oder miesem Darwinismus heraus, sondern weil sie sowieso anders tickt.

Es geht überhaupt gar nicht ums Abtöten. Es geht ums Funktionieren. Die Natur, die Schöpfung, das, was freundlicherweise auch uns mit unserem grandiosen schöpferischen Großhirn herausgemendelt hat, will, das ES funktioniere. Sie will nicht, sie tut, sie agiert schlicht und ergreifend und zwar aus Prinzip. Hätte der Kokos-Baum nicht diese enorm praktischen isolierenden, kühlenden, wasserdichten, bruchsicheren Schalen entwickelt, wäre er längst ausgestorben, las ich jetzt in einem Buch über Bionik.

Das, was funktioniert, bleibt. Das Funktionieren an sich ist das, was lebendig hält, Leben ist Funktionieren. Das Lebens-Prinzip ist: es möge leben. Leben ist kontinuierliche Modifikation, ein Spiel der Schöpfung und Neuschöpfung. Gerümpel wird zurückgelassen. Auf dem morschen Holz wachsen Pilze und Blumen. Die Frage ist folglich nicht: „Bloss nicht sterben, bloss nicht versagen, krank werden, Gott ärgern, Chef ärgern, Pleite gehen, in die Rezession sacken, in die Insolvenz flutschen“. Die Frage ist: Wie lebe ich lebendig? Wie sieht mein blühendes Leben aus? Was tue ich unter der Fahne des Lebens-Prinzips. Und was lasse ich besser.

Wenn Sie beispielsweise merken, dass Sie Ihr halbes Leben damit verbringen, aus der Angst heraus zu leben, zu handeln oder nicht zu handeln, dann wird es jetzt Zeit für Neujustierungen im Stellwerk und für eine Generalüberholung Ihrer Festplatte. Was nicht lebt, stirbt. Wer behauptet, wir hätten das Großhirn, um Angst zu haben, lügt oder ist dumm. Wir haben es aus Gründen der Lebendigkeit und damit das Spiel immer weitergeht.