Systemische Psychologie
Kapitel in diesem Beitrag:
- 1 Warum systemische Psychologie für Sie wichtig ist
- 2 Die Revolutionäre von Palo Alto
- 3 Würde und Freiheit sichert die systemische Psychologie
- 4 Udo stottert! Ein Praxisbeispiel
- 5 Julian geht nicht mehr zur Schule! Ein fröhlicheres Beispiel
- 6 Nicht das Individuum ist krank, sondern die Gesellschaft, die es umgibt!
- 7 Systemische Psychologie im psychologischen Lifecoaching
- 8 So wirkt Lifecoaching
Warum systemische Psychologie für Sie wichtig ist
Die systemische Psychologie bzw. Psychotherapie wie auch systemisches Lifecoaching konzentriert sich auf Beziehungen, Muster und Kommunikationsstrukturen, um Probleme zu lösen, indem sie die vorhandenen Ressourcen und Kompetenzen der Betroffenen aktiviert, damit neue Perspektiven und Handlungsmöglichkeiten sich eröffnen und so positive Veränderungen sich entwickeln. Das sensible Individuum wird nicht mehr als Strickfehler betrachtet mit Macken, sondern als Symptomträger.
Wie das im Lifecoaching wirkt, lesen Sie hier.
Die Revolutionäre von Palo Alto
Wer hat sich das alles ausgedacht?
Als Mutter der systemischen Familientherapie und in der Folge der Psychologie an sich gilt Virginia Satir. Sie war 1959 Mitbegründerin des Mental Research Institute (MRI) in Palo Alto, Kalifornien. Sie leitete dort die Ausbildungsabteilung und initiierte das erste familientherapeutische Ausbildungsprogramm der USA.
Das systemische Denken und Behandeln ist ein revolutionierenden Ansatz in der Geschichte der Psychotherapie, der sich schrittweise seit den 1950er Jahren durch zahlreiche Therapeutenpersönlichkeiten in aller Welt entwickelte. Revolutionäre sind sie alle, weil sie von der Psychoanalyse her kamen und sich von festen Glaubenssätzen lösen mussten, um neue Denkansätze zu entwickeln, von denen wir heute profitieren. Andere große Namen von Palo Alto sind Gregory Bateson, Jay Haley und John Weakland, die die strategische Kurzzeittherapie mitentwickelten, später kam aus Europa der lernbegierige Paul Watzlawick dorthin.
Würde und Freiheit sichert die systemische Psychologie
Angenommen, es haut Sie aus der Spur, privat oder beruflich. Sie können den Rat der Freunde nicht mehr hören oder Sie finden sich selber mit ihren Reaktionen so spooky, dass sie lieber nicht mit Freunden darüber reden wollen. Sie suchen also Rat beim psychologischen Profi.
Sigmund Freud und alle Adepten hätten Sie kurzerhand auf eine Couch verfrachtet. Dort hätten Sie gelegen und sich irgendwie schon wunderlich gefühlt. Der Therapeut hätte hinter Ihrem Kopf auf einem Stuhl Platz genommen und Sie aufgefordert, zu erzählen, was Sie plagt. Und Sie hätten geredet und geredet und geredet. Irgendwie schon erleichternd. Aber irgendwann nach vielleicht Monaten hätten Sie keinerlei positive Veränderungen festgestellt und sich gefragt: „Wieso zum Kuckuck, kriege ich nicht endlich mal den Rat, den Hack, den Trick!“
Rat oder erst recht Tat gibt es in der klassischen Psychoanalyse nicht. Das viele Reden heißt freies Assoziieren, nach der reinen Lehre schweigt der Therapeut deswegen weitgehend, weil es zwischen ihm und seinen „Patienten“ keine emotionale Beziehung gibt und nicht geben darf. Faktisch entsteht aber eine Abhängigkeitsbeziehung.
Die systemische Psychologie sieht Sie im Unterschied dazu schon mal gar nicht als Patient, sondern als Klient. Das ist ein riesengroßer Unterschied. Sie werden nicht als Kranker betrachtet, sondern als ratsuchender Kunde. Sie werden auch nicht flachgelegt, sondern Sie sitzen neben Ihrem Coach oder Therapeuten, das ist Augenhöhe. Das sichert Ihre Würde.
Udo stottert! Ein Praxisbeispiel
Nehmen wir den kleinen Udo. Er war das jüngste von zwei Kindern einer insgesamt sehr hochbegabten Familie aus sehr durchsetzungsstarken Menschen: Vater, Mutter, die ältere Schwester – alle sehr tatkräftig, sehr strukturierte und zugleich leidenschaftliche Menschen, außerordentlich redegewandt. Die Schwester eine intellektuelle Überfliegerin, ein Vorzeigekind.
Udo, der zarte Nachzügler-Junge, fing das Stottern an. Nun hatte die ganze Familie ein Prestige-Problem, denn wie peinlich bei all dem Erfolg, so ein stotterndes Kind, das geistig beeinträchtig wirkte. Udo stand spürbar unter einem gewaltigen Stress, war hochnervös, brachte die Worte nicht in Sätze, sondern produzierte Artikulations-Staus – das ganze Familiengelärme verhinderte, dass er seine insbesondere emotionalen Bedürfnisse artikulieren konnte, verhinderte überhaupt Emotionalität, Wärme und Geborgenheit. Udo spiegelte einen gewaltigen Gefühls-Stau der ganzen Familie.
Aus Sicht der systemischen Familientherapie mit der Zentralfigur Virginia Satir musste das gesamte Familiensystem unter die Lupe genommen werden. Die Eltern, hätten sie die Herausforderung angenommen, hätten sich einen Therapeuten oder Coach gesucht. Sie wählten aber den bequemeren Weg und schickten ihren Sohn zu allen möglichen Ärzten. Udo wurde zum Problem erklärt – für ihn eine verhängnisvolle, die Qualität seines Lebens nachhaltig beeinträchtigende Sache.
Udo bekam Retalin. Der Bote wurde nicht hingerichtet, aber ruhig gestellt.
Julian geht nicht mehr zur Schule! Ein fröhlicheres Beispiel
Julian ist der Sohn eines Klienten. Der Vater war arbeitslos geworden, nutzte seine Abfindung zur Persönlichkeitsentwicklung. Er machte ein halbjähriges Coaching bei mir. Julian bewundert seinen sportlichen, gutaussehenden und hochintelligenten Papa über die Maßen. Als der Papa das Meditieren anfing, machte sein Sohn mit. Als der Vater die freie Zeit auch für tägliche Fitness-Übungen nutzte, machte Julian mit. Julian konnte bald mit 12 Jahren 80 Liegestütze am Stück machen, so erfuhr ich. Als Julian das Zur-Schule-Gehen beendete, riet ich zum IQ-Test, der ein wirklich sehr hohes Ergebnis hatte.
Die Schule hatte dagegen versucht, den Jungen ebenfalls krank zu reden. Vom IQ-Test-Ergebnis profitierte die gesamte Familie – aus der Angst, irgendwie schräg und unnormal zu sein, wurde Stolz. Die sture Eigenständigkeit des Jungen feuerte wiederum auch den Papa noch mehr an, denn er erkannte sich im Sohn wieder, erkannte also dadurch sein eigenes Potenzial.
Das erleichterte die Ziel-Arbeit, eigentlich das Herzstück jeden Coachings, enorm. Mein ehemaliger Klient fand kurz nach dem Ende unserer Zusammenarbeit genau die neue Arbeit, die wir gemeinsam anvisiert hatten.
Nicht das Individuum ist krank, sondern die Gesellschaft, die es umgibt!
Diese sehr radikale Zuspitzung vom Psychoanalitiker und Philosoph Horst Eberhard Richter (1923-2011) macht den fundamentalen Unterschied klar: Die alte Psychoanalyse und die aus ihr erwachsene klassische Gesprächspsychotherapie meinten, das „kranke“ Individuum reparieren zu können.
Die systemische Psychologie, die auch systemische Familientherapie heißt, betrachtet das gesamte System, in dem ein Mensch lebt: Das Familien-„System“, die gesellschaftliche Umgebung, die historische Epoche. Also all das, womit ein Individuum interagiert, wodurch es geprägt wird, womit es auch in Konflikt geraten kann.
Aus Sicht der systemischen Psychologie ist der Kranke in einer Familie etwa nicht das eigentliche Problem. Sondern der Kranke ist ein Symptom-Träger. Er trägt ein Problem aus, das das ganze System hat. Er ist quasi nur der Bote und darf nicht hingerichtet werden – er gibt das Signal, dass im System etwas nicht stimmt. das heißt: Das System muss das Problem finden. Redete man den Symptom-Träger krank, würde das System zwar weitermachen, aber nicht gesunden können.
Systemische Psychologie im psychologischen Lifecoaching
Die systemische Psychologie betrachtet den leidenden Menschen nicht als defektes Werkstück, das repariert werden muss, sondern als Individuum in sozialen Bezügen, das an Konflikten in diesen Zusammenhängen leidet. Weil es vielleicht besonders sensibel ist oder schlicht neu verheiratet und damit in neu zu ordnenden Bezügen steht. Kann auch sein, ein neuer Chef ist aufgetaucht oder ein neuer Kollege. Das vorige Gleichgewicht ist verrutscht, der betroffene Mensch muss neue Wege finden, mit einer neuen Wirklichkeit gut umzugehen.
Sehr oft werden im Erwchsenenleben durch solche und ähnliche Veränderungen alte Verletzungen der Kindheit angetriggert, wieder ins Bewusstsein geholt und mit ihnen die alten Gefühle.
Es entsteht also durch den Konflikt eine tolle Chance: Der aktuelle Konflikt eröffnet den Weg, alte Verletzungen zu heilen, in größere Loyalität mit sich selber zu kommen, wodurch schlichtweg größere Handlungsfreiheit entsteht.
Denn die alten Käfer auf unserer Gehirnfestplatte bremsen aus den Tiefen des Unterbewusstseins heraus unsere Energie, führen zur Selbstsabotage. Das beenden wir im Lifecoaching.
So wirkt Lifecoaching
Lesen Sie kurz und gut mit vielen Beispielen über die Wirksamkeit von Lifecoaching.
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